Wir sind keine Rambos

■ Polizeiausbildung in Bremen / Im Rollenspiel Ängste zugeben

“Wir überdenken unsere Inhalte täglich. Wir sind frei in der Art der Übermittlung. Wir bringen uns menschlich ein. Wir fangen früh an, Eigenverantwortung beizubringen. Drill gibt es nicht mehr. Sie sollen selbständig lernen. Klausuren stehen nicht im Mittelpunkt. Wer zuviel gearbeitet hat, kann Stunden ausfallen lassen.“ Waldorfschule oder antiautoritärer Kindergarten? Gefehlt! Das sind die Worte eines Ausbilders bei der Bremer Bereitschaftspolizei.

Ein Ausbildungszug von 27 jungen Menschen, 11 davon weiblich, befindet sich zur Zeit im ersten Lehrjahr von insgesamt dreien. Zwei Zugführer aus dem gehobenen Dienst machen die theoretische Ausbildung, der Gruppenführer - aus dem mittleren Dienst — die praktische. Im ersten Lehrjahr wird Rechtstheorie gebüffelt: „Man muß die rechtlichen Grundlagen des eigenen Handelns kennen, wenn man auf einen Bürger zugeht“, so Ausbilder Lutz Müller. „Die Bevölkerung wird immer sensibler. Wir haben die Rechtfertigungspflicht.“ Außer den 13 Rechtsfächern lernen die PolizistInnen Deutsch, Englisch, Schreibmaschine, Staatsbürgerkunde und Ortskunde. Schießen, Judo und Konditionstraining stählt Körper und Reaktion. Auch Autofahren und ein Schleudertraining gehören zum Programm.

Rollenspiel soll die Kommunikation in Uniform einüben. Gabriel: „Die Leute sollen lernen, ihre Angst und ihre Fehler zuzugeben, sich zu entschuldigen. Die Frauen sind in dieser Hinsicht eine Bereicherung. Sie entlarven die Männer.“ Kollege Müller ergänzt: „Wir sind keine Rambos. Die Devise lautet: Lieber mal weglaufen und den anderen weglaufen lassen. Oder das Gespräch suchen.“ Das nennt sich Schießvermeidungstraining. Die BewerberInnen werden vor ihrer Aufnahme in die Polizeiausbildung durch verschiedenste Tests geschleust. Sprache, Intelligenz und Persönlichkeit müssen einen Test bestehen, im Sporttest müssen die BewerberInnen Kondition und Ausdauer beweisen und anschließend in einem mündlichen Eingangsgespräch glänzen.

Die 27 PolizistInnen sitzen in ihren farblich undefinierbaren Uniformhemden und-hosen gut gelaunt in einer Schulklasse. Polizistin wird frau, weil sie raus will aus dem Büro oder weil die Polizei „abwechslungsreich“ ist und den BewerberInnen manches bietet, „was man sonst nicht macht: Funken, Sport, Fotografieren“. Manche reizt „das Soziale“: „Wir sind SozialarbeiterInnen in Uniform!“ Gelächter und Widerstand. „Aber man lernt erst hier kennen, was Polizei heißt. Bei der Bewerbung wird einem nur das Schönste vorgestellt“, beschwert sich eine, „daß ich auch erschossen werden kann, ist mir erst hier so richtig klar geworden“. Am meisten Spaß machen den Neulingen „halbrichtige“ Einsätze beim Freimarkt, bei Fahrrad-und Verkehrskontrollen. Neulich haben sie in Bremerhaven das tote Kind in der Sandkiste gefunden und das Mördermesser im Bürgerpark.

Daß sich Freunde zurückziehen, wegen dem Entschluß zur Polizei zu gehen, das geben nur die Frauen zu. Aber die „echten“ FreundInnen bleiben, „die kennen einen doch als Mensch“. Die braucht frau dann auch, um sich trösten zu lassen. Denn die Grundausbildung im ersten Lehrjahr „ist genau wie bei der Bundeswehr“. 20 Liegestützen auf den Fäusten, „das tut weh“ und bei der Selbstverteidigung trägt manche(r) blaue Flecken, Bänderdehnungen und andere Verletzungen davon. Und die Uniformen und Schuhe, da muß, „gelinde gesagt, noch etwas getan werden“. Beate Ramm