Schülervollversammlung

■ Oberschüler debattierten über Antikriegsaktionen

Berlin. »Die Schülerprotestaktionen gegen den Golfkrieg waren letzte Woche sehr chaotisch. Das muß sich ändern.« Mit dieser Forderung brachte ein Schüler am Dienstag nachmittag auf der Vollversammlung (VV) der Berliner OberschülerInnen die Meinung vieler Anwesender auf den Punkt. Das Ergebnis der VV, an der die Delegierten von rund 20 Gymnasien und etliche Vertreter des zweiten Bildungswegs teilnahmen, war jedoch recht mager. Fest stand am Ende nur, daß auf der Schülerdemonstration — heute um 13 Uhr am Breitscheidplatz — und auf der allgemeinen Friedensdemo am Samstag von Schülern Redebeiträge gehalten werden sollen. Außerdem wurden Termine zu Antikriegsaktionen ausgetauscht, und für den kommenden Freitag um 18 Uhr wurde eine weitere Vollversammlung im Berlin-Kolleg in der Badenschen Straße 50 beschlossen.

Daß die VV nicht zur Vorbereitung und Koordination von Projekttagen zum Golfkrieg an den Schulen genutzt wurde, rief nicht nur bei einem Schülervertreter des Französischen Gymnasiums Enttäuschung hervor. Die Bandbreite der angesprochenen Themen war groß. Sie reichte von der Frage, wie die Gewerkschaften, Arbeiter und andere Teile der Bevölkerung in die Antikriegsaktionen eingebunden werden könnten, bis hin zu den Schilderungen eines irakischen Oppositionellen über die Auswirkungen des Kriegs auf die irakische Bevölkerung. Außerdem kam zur Sprache, daß es an manchen Schulen im Zusammenhang mit den geplanten Projekttagen ernsthafte Schwierigkeiten gibt.

Die Schilderungen des Studenten der irakischen Opposition wurde von den Schülern mit großer Betroffenheit aufgenommen: »Wir schätzen, daß im Irak inzwischen eine halbe Millionen Menschen umgekommen sind. Wie viele verbrannt und verletzt sind, das könnt ihr euch selbst ausmalen«, berichtete der Student, der als Informationsquelle die Radiokurzwelle und die Angaben von Flüchtlingen aus dem Irak nannte. »Ich verteidige hier nicht die irakische Regierung, ich spreche hier für die Zivilbevölkerung«, sagte der Student. Er appellierte an die Schüler, »ernsthaft« dazu beizutragen, daß »dieser Völkermord» gestoppt werde und die irakische Bevölkerung endlich medizinische Hilfe bekomme. »Wir erwarten von euch, daß ihr diese Informationen öffentlich macht und das Deutsche Rote Kreuz mit Aktionen unter Druck setzt.«

Nach dieser Schilderung noch über die eigenen Ängste vor Repressionen an den Schulen zu reden fiel den Schülern schwer. »Wir müssen aus unserem Klein-Klein rauskommen«, forderte eine Schülerin, die der Bericht offensichtlich sehr berührt hatte. Eine Schülervertreterin der Lilienthal-Oberschule berichtete von ihrem Vorhaben, zur geplanten Schulvollversammlung einen Vertreter der irakischen Opposition einzuladen. Die Vollversammlung sei vom Rektor jedoch mit der Begründung untersagt worden, er könne nicht für die Sicherheit in der Schule garantieren, wenn ein Iraker komme. Ein Schüler der Ravenee- Oberschule berichtete über die Androhung von Schulverweisen bei Fortsetzung des Unterrichtsboykotts. Der Sprecher der Landesschülervertretung (LSV), Thymian Bussemer, verwies deshalb nochmals darauf, daß die LSV den von Repressionen bedrohten Schülern kostenlose Rechtshilfe zur Verfügung stelle. Noch gelte aber die Linie des SPD-Senats, daß es keine Disziplinarmaßnahmen geben dürfe. plu