Der rasende Igel

■ „Report-Extra“ zum Krieg am Golf, Di. ARD, 20.15 Uhr

Viel zu lange waren wir ahnungslos und gutgläubig. Jetzt hat uns Heinz-Klaus Mertes endlich die Augen geöffnet. Die Friedensbewegung, daran gibt es nun keinen Zweifel mehr, marschiert gemeinsam mit den deutschen Rüstungsexporteuren gegen Israel. Die schweren Verwüstungen durch den Einschlag der letzten Scud-Rakete? Wahrscheinlich das Werk demonstrierender Schüler der Realschule in Hinternholzheim. Die Giftgas-Zulieferungen für Saddam? Petra Kelly war's. Und das Versagen der Patriot-Abwehrraketen in Tel Aviv? Der BBU hatte ein Virus in der Elektronik plaziert.

Das Gute an „Report“ ist die einmalige Transparenz dieser Sendung. Das geht soweit, daß sich ihr Inhalt präzise vorhersagen läßt, ohne daß ihr igelhaariger Moderator auch nur ein einziges Wort gesagt hat. Es genügt die Ankündigung des Themas. „Der haut diesmal die Friedensdemonstrationen in die Pfanne“, vermeldete das Frühwarnsystem der Medienredaktion schon am Montag. Aber wie er das machte, das lag diesmal jenseits unserer Phantasie.

Man suche sich aus jedem Demonstrationszug die beiden größten Dummbeutel heraus und lasse sie ihr angestaubtes „Ami go home“-Vokabular aufsagen. Dann frage man den langsam senil werdenden Herrn Kissinger („Wogegen demonstrieren die eigentlich in Deutschland?“) und israelische Bürger was sie von deutschen Friedendemonstrationen und Giftgaslieferanten halten und stelle am Ende die Gleichung auf: Wer gegen den Krieg ist, ist gegen Israel und für Saddam.

Soviel vorsätzliches Mißverstehen hat seine Gründe. Ein einziger Blick auf die Zusammensetzung der Friedensdemonstrationen hätte schon genügt, um den Eindruck von der „alten Partitur des Anti-Amerikanismus aus der Nachrüstungsära“ zu korrigieren.

Wer die Demonstrationen von Millionen über diesen grausamen Krieg mit einem Antiamerikanismus und einer Anti-Israel-Position gleichsetzt, der hat nicht die Courage, dem ernsthaften Entsetzen über dieses computergesteuerte Gemetzel gegenüberzutreten. Die Diffamierung der Friedensdemonstranten wird so zu einem Abwehrversuch gegen das eigene Schaudern vor diesem Krieg.

Die Vorstellung, daß die amerikanischen, britischen und französischen Kampfbomberpiloten mit ihren „Joysticks“ tausende Wehrlose und Unschuldige hinschlachten, macht es wohl selbst einem Report- Chef schwer, der Logik dieses Krieges noch zu folgen. Da muß dann alles, was das eigene Weltbild vom gerechten Krieg in Frage stellt, umso gründlicher niedergehalten werden. Bis hin zum Vorwurf des Antisemitismus.

Und: Die Friedensdemonstranten seien unglaubwürdig, weil sie schon 1984 bei Bekanntwerden der ersten Waffenlieferungen in den Irak auf die Straße hätten gehen müssen. Lieber Heinz-Klaus Mertes: Wenn die Demonstranten in den 80er Jahren bei jedem bekanntgewordenen Rüstungs-, Chemiewaffen- und Atomgeschäft auf die Straße gegangen wären, dann wären sie genau das geworden, was Sie ihr immer vorhalten: Berufsdemonstranten. God bless America! (wg. Antiamerikanismus) Manfred Kriener