„Politiker lügen mehr in Kriegszeiten, doch wir wissen das“

■ Die taz sprach mit Peter Preston, dem Herausgeber des britischen 'Guardian‘ über Kriegsberichterstattung, Zensur und Pressefreiheit INTERVIEW

taz: Hat der 'Guardian‘ Korrespondenten am Golf?

Peter Preston: Wir haben eine ganze Reihe von Leuten: drei in Saudi-Arabien und zwei in Amman und andere, die herumreisen.

Wie machen sich die Beschränkungen und die Richtlinien für Redakteure bisher bemerkbar?

Ich habe die Richtlinien nie als besonders problematisch empfunden. Im Grunde hat man uns lediglich gesagt, daß wir vernünftig sein und versuchen sollen, mit unseren Berichten niemanden umzubringen.

Tony Benn hat gesagt, daß wir seit Kriegsausbruch nur noch mit Lügen gefüttert werden. Wie stehen Sie dazu?

Ich glaube, Benn sagt im Kern etwas Vernünftiges, aber wie immer ruiniert er es dadurch, daß er übertreibt. Politiker lügen in Kriegszeiten natürlich viel mehr, doch Journalisten wissen das und versuchen, es zu berücksichtigen und die Wahrheit herauszufiltern. Natürlich verraten Politiker und Militärs nicht jedes Detail. Das wäre auch sehr erstaunlich.

Die Berichterstattung vom Golf war bisher doch alles andere als kritisch.

Bisher war es ein Medienkrieg mit Berichten im Fernsehen rund um die Uhr. Was wir gesehen haben, waren viele Flugzeuge, die irgendein Ziel angreifen, und nach ihrer Rückkehr gab es Interviews mit den Piloten. Wir haben jedoch keine Vorstellung davon, welche Wirkung das hat. Wir haben zwar Millionen Einzelbilder, jedoch kein Gesamtbild. Und die täglichen Interviews mit 97 pensionierten Feldmarschällen, die alle unterschiedliche Strategien vertreten, nützen Saddam überhaupt nichts. Er kann sich eine dieser Theorien aussuchen. Die Spannungen zwischen Presse und Militär werden dann einsetzen, wenn die Infanterie eingreift. Die Presseleute werden versuchen, möglichst nahe an das Geschehen heranzukommen.

Widerspricht das Szenario, das Journalisten praktisch zu Sprechern des Militärs macht, nicht jedem journalistischen Ethos?

Uns wird allgemein der Vorwurf gemacht, wir seien durch die Restriktionen gelähmt. Das stimmt jedoch überhaupt nicht. Bisher war es für uns ein Kampf um Informationen, kein Kampf gegen Restriktionen. In der ersten Phase des Kriegs hat es sehr wenige Informationen gegeben. Aus Bagdad kam kaum etwas, und Bagdad ist ja auch nur ein Teil des Bildes. Bisher war es so etwas wie „Golf — Der Film“. Die zweite Phase wird „Golf — Der Krieg“ sein. Das wird für die Zuschauer in Großbritannien ohnehin immer langweiliger.

Sie glauben aber, daß es sich trotz der Zensur lohnt, einen Korrespondenten am Golf zu haben?

Ja, auf alle Fälle. Man kann ein Gesamtbild nur aus einer Unmenge unterschiedlicher Quellen zusammenfügen, weil es zu wenig verläßliche Informationen gibt.

Interview: Ralf Sotscheck