Golfkrieg: Düstere Wirtschaftsaussichten in Asien

■ Wenn der Ölpreis in Folge des Krieges steigt, werden besonders die armen Länder im Südosten des Kontinents noch tiefer in die Misere schlittern

Hongkong, Manila, Neu-Delhi, Singapur (ips) — Schwerwiegende Auswirkungen eines länger anhaltenden Golfkrieges auf die Wirtschaft der asiatischen Länder erwarten Experten: Hohe Ölpreise, geringere Investitionen, weniger Export in die westlichen Industrieländern, ein geringeres Wirtschaftswachstum und höhere Arbeitslosigkeit bestimmen das Bild, das die Beobachter zeichnen. Während die aufstrebenden Länder Südostasiens noch mit einem blauen Auge davonkommen könnten, werden die schwachen südasiatischen Staaten noch tiefer in die Misere schlittern.

Der Golfkrieg, so befürchten die Asiaten im Süden und Südosten des Kontinents, wird die USA noch tiefer in die bereits spürbare Rezession stürzen. Wenn die US-BürgerInnen ihre Gürtel enger schnallen müßten, hätte das auch Folgen für die asiatischen Exporteure.

Sorgen um die witschaftliche Zukunft macht man sich besonders in Singapur, einem Land, das bei steigenden Ölpreisen mit höheren Produktionskosten — im Vergleich zu den Erdöl produzierenden Nachbarländern wie Brunei, Indonesien oder Malaysia — rechnen muß. In Singapur hat die Golfkrise schon 1990 die Lebenskosten empfindlich ansteigen lassen. Elektrizitäts- und Transportgebühren wurden teurer bei geringerem Lohn für die ArbeiterInnen.

Auch die Tourismus-Industrie verbuchte im vergangenen Jahr geschätzte Einbußen in Höhe von 4,8 Milliarden US-Dollar. Die Erdölreserven Singapurs reichen lediglich für knapp einen Monat. Einziger Lichtblick sind die zu erwartenden Preissteigerungen für verarbeitete Erdölprodukte aus dem südostasiatischen Erdölraffinierungszentrum.

Am schwersten in Südostasien wird es die Philippinen treffen. Schon im Vorjahr mußte das prognostizierte Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent auf drei Prozent korrigiert werden. Seit dem Einmarsch des Irak in Kuwait im August bleiben die bisher gewohnten Devisensendungen von rund 500.000 philippinischen Arbeitern aus der Golfregion aus, viele von ihnen kehrten als Arbeitsuchende zurück.

Auch wenn erste Horrormeldungen über eine Einschränkung des Erdölverbrauchs um bis zu 50 Prozent schließlich zurückgenommen wurden, blickt man in Manila noch immer gebannt auf die Entwicklung am Erdölmarkt.

Von vier Milliarden Dollar auf 2,5 Milliarden Dollar will die Regierung von Präsidentin Corazon Aquino ihr Budgetdefizit drücken. Ohne Einschränkungen des Ölverbrauchs, so Aquinos Energieberater, Wenceslap de la Paz, werde es trotz der Preissenkung auf den Erdölmärkten unmittelbar nach Kriegsausbruch nicht abgehen. Eine Verminderung der Erdöleinfuhren um 29 Prozent sieht de la Paz als „realistisch“ an. Dem internationalen Währungsfonds hatte die Regierung bereits weitere Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben versprochen.

Die philippinischen Hotels, sonst um diese Jahreszeit mit TouristInnen gefüllt, sind in diesem Jahr bei weitem nicht ausgebucht. Wirkung zeigte bereits der Aufruf der US-Regierung und der mit ihr im Krieg gegen den Irak Verbündeten an ihre Bürger, Auslandsreisen wegen der Gefahr von möglichen Terroranschlägen zu unterlassen. Die Bombenanschläge in Manila und Jakarta am Wochenende dürften die Ängste der Urlauber noch verstärkt haben.

Tourismusbehörden rechnen nach den Stornierungen der letzten Wochen in der gesamten Region mit einem Buchungsrückgang um bis zu einem Drittel. Als Alternative bieten sich für die Fremdenverkehrsmanager nun die Asiaten an, die von den kostspieligen Flügen nach Europa abgehalten werden sollen.

Frohlocken können in Südostasien einzig und allein die Erdölexporteure. Bruneis, Indonesiens und Malaysias Partner in der sechs Mitglieder umfassenden südostasiatischen Staatenvereinigung Asean haben bereits um Inanspruchnahme der in der Organisation festgeschriebenen Sonderregelung zur Versorgung mit Erdöl in Krisenfällen gebeten.

So bekommt Thailand aus Malaysia täglich 20.000 Barrel zusätzlich zu den normalen Lieferungen, auch Indonesien hat seine übliche Tagesförderung schon um zehn Prozent auf 1,5 Millionen Barrel erhöht.

Allerdings wird sich Malaysia mit geringeren Investitionen aus Japan abfinden müssen. Auch die von Japan bereits zugesagte Marktöffnung für malaysische Produkte ist jetzt wieder fraglich, just zu einem Zeitpunkt, zu dem die Elektronikindustrie des südostasiatischen Staates auf einen Boom hoffte.

Auch vom boomenden Taiwan werden in der ersten Hälfte dieses Jahres keine wesentlichen Investitionen erwartet. Die Regierung, die 99 Prozent des täglichen Verbrauchs von 430.000 Barrel importieren muß, verhängte bereits Einschränkungen an den privaten Tankstellen. Täglich sollen drei Millionen Liter eingespart werden.

Auf den Kapitalmärkten in Taipeh ziehen Anleger inzwischen ihr Geld zurück und investieren in Gold und Silber. Der „Goldrausch“, so meinen Experten, könnte die Einfuhren von Gold und Silber von fünf Tonnen im Dezember auf zehn bis zwölf Tonnen anspringen lassen.

Können die Südostasiaten mit ihren oft zweistelligen Wirtschaftswachstumsraten in den letzten Jahren die Krise aber noch — vergleichsweise — leicht verkraften, fürchtet man im Süden des Kontinents ein völliges Abgleiten in die Armut. Schon jetzt sind Länder wie Bangladesch, Indien, Pakistan und Sri Lanka hochverschuldet, durch hohe Ölpreise dürften sie noch weiter ins Trudeln geraten.

Und für die nötigen Importe von Hochtechnologie und Halbfertigwaren dürften die südasiatischen Staaten wegen der erwarteten Rezession in den wichtigsten Absatzmärkten kaum Ausgleich durch den Export eigener Produkte finden.