Brunsbüttel ohne Netz und doppelten Boden

■ Der Altreaktor lief sechs Stunden mit zwei defekten Notstromdieseln

Berlin (taz) — Über sechs Stunden lang ist der 800 Megawatt-Siedewasserreaktor Brunsbüttel am Dienstag ohne wesentliche Notsysteme gelaufen. Zwei der drei Notstromdiesel des unabhängigen Notstandssystems standen zu dieser Zeit nicht zur Verfügung — einer wegen Wartungsarbeiten, der andere, weil der automatische Starter im Verlauf einer Prüfung ausfiel.

Die beiden Aggregate sind für die Eigenstromversorgung des Meilers notwendig, wenn im Falle eines Störfalls die dreifach vorhandene „normale“ Notstromversorgung ausfällt. Als letzte Sicherung gibt es in Brunsbüttel noch einen sogenannten „Schwarzstartdiesel“, der beim totalen Blackout in der Anlage den Eigenbedarf decken soll.

Der schleswig-holsteinische Energieminister Günter Jansen kritisierte gestern die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) als Betreiber der Anlage, weil sie den Störfall nicht sofort unter der Kategorie „Eilt“ gemeldet hätten. „Wenn in diesen sechs Stunden zum beispiel äußere Einwirkungen zu verzeichnen gewesen wären“, meinte Jansen, „hätte die Anlage leicht in einen äußerst problematischen Zustand geraten können.“ Er stelle sich auch die Frage, warum die Wartung des einen Notaggregats ausgerechnet zum gleichen Zeitpunkt durchgeführt wurde, als das andere geprüft wurde.

Jansen erneuerte seine grundsätzliche Kritik an der neuen achtstufigen Störfallbewertungsskala (Stufen 0 bis 7), die auf ein Jahr erprobt werden soll. Es sei besonders „verschleiernd und irreführend“, daß die HEW den aktuellen Störfall für die Öffentlichkeit in die Kategorie 0 eingeordnet habe.

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel hatte erst von Oktober 1989 bis Januar 1990 wegen erheblicher Mängel stillgestanden. Damals wurde nach Angaben der Betreiber eine grundsätzliche Revision dieses Siedewasserreaktors durchgeführt, um möglichen Sicherheitsdefiziten auf die Spur zu kommen. Insbesondere ging es dabei um die Sprödbruchanfälligkeit der Frischdampfleitungen dieses veralteten Reaktortyps. gero