Bundesregierung ist loyal

Bundeskanzler Kohl sichert demonstrativ Bündnistreue im Krieg gegen den Irak zu/ Regierungsdelegation reist bald nach Israel/ Höhere Steuern  ■ Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) — Der Kritik am angeblich dürftigen Engagement Deutschlands im Golfkrieg setzte gestern Bundeskanzler Helmut Kohl demonstrativ verschiedenes entgegen. So kündigte er vor JournalistInnen in Bonn an, daß „so bald wie möglich“ Bundesaußenminister Genscher, Entwicklungshilfeminister Spranger und CDU-Generalsekretär Volker Rühe nach Israel reisen. Laut Kohl will die Bundesregierung damit „ein Zeichen der Solidarität“ setzen. Überdies hilft sie Israel bei dieser Gelegenheit mit 250 Millionen Mark für humanitäre Zwecke. Ferner, so der Kanzler, habe Bonn bei der EG beantragt, Israel in den Kreis der von Brüssel unterstützten, besonders betroffenen Länder aufzunehmen und dafür die EG-Hilfe zu erhöhen. Kurz bevor Kohl die Reise der Regierungsdelegation öffentlich ankündigte, hatte der SPD-Partei- und Fraktionschef angekündigt, daß er am Donnerstag zusammen mit seinem Genossen Hans Koschnik nach Tel Aviv fährt.

Ausführlich und massiv folgte Helmut Kohl gestern vor der Bonner Presse auch ausländischer Kritik an der deutschen Friedensbewegung. „Bei manchen Demonstrationen bestürzen mich die moralische Gleichgültigkeit, die krasse Verdrehung der Tatsachen und das bewußte Aufpeitschen von Emotionen“, sagte Kohl. Er habe kein Verständnis, wenn sich Demonstrationen gegen die Vereinigten Staaten wendeten. Wer heute demonstriere, müsse sich fragen lassen, wo er am Tag des Überfalls auf Kuwait gewesen sei. Und: „Für eine regelrechte Perversion halte ich es, wenn einige ihre angebliche Friedensliebe mit Gewalttaten bekunden.“

Weiter machte der Bundeskanzler klar, daß Bonn den Krieg finanziell massiv unterstützen wird. Zwar wollte er nicht sagen, wie hoch die vor allem von den USA erwartete Bonner Hilfe sein wird. Daß sie hoch sein wird, wurde dennoch ganz deutlich: Die erwartete Hilfe hat laut Kohl eine „so hohe Dimension, daß sie aus den normalen Haushaltsmitteln nicht zu bestreiten ist“. „Für eine bestimmte Zeit“, so der Kanzler, müßten die „Einnahmen“ erhöht werden. Was dies bedeutet, sagte er — freilich erst auf Nachfrage — offen: „Steuererhöhungen schließe ich nicht aus.“

Helmut Kohl und der ihm assistierende Hans-Dietrich Genscher demonstrierten vor der Bonner Presse auch, daß sie nicht versuchen werden, die Alliierten zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Im Gegenteil: Allein der irakische Staatspräsident Saddam Hussein, so der Bundeskanzler, habe es in der Hand, die militärischen Auseinandersetzungen zu beenden. Saddam wolle den Krieg eskalieren. Und: „Leider gibt es bis zur Stunde keinen Hinweis darauf, daß der Agressor [...] zum Einlenken bereit ist.“

Zurückhaltend ging der Kanzler erneut mit dem Thema drohender „Bündnisfall“ um: Ob ein solcher vorliege, werde man erst entscheiden, falls der Irak tatsächlich in die Türkei einmarschiere. Kohl gab zu verstehen, daß er — entgegen der erklärten Rechtsauffassung der Bundesregierung — hierzu auch das Parlament befragen werde. Dies fordern seit geraumer Zeit besonders die Sozialdemokraten. Er „wünsche und respektiere“, so Kohl, daß im Falle eines Falles „diskutiert“ werde. Es sei „klar, daß eine Parlamentssitzung nicht bedeutet, es wird nur geredet, sondern auch, es fallen Entscheidungen“. Den Eindruck, er inszeniere seinen Auftritt vor allem dem kritischen Ausland zuliebe, vermochte Kohl mit solcherlei Bekundungen freilich nicht zu entkräften: Er könne, so der Kanzler, einen Großteil der französischen und britischen Kritik nicht verstehen. Die Bundesregierung habe doch schon früh deutlich gemacht, wie die Verfassungslage sei — sprich: daß nach dem Grundgesetz keine deutschen Soldaten in der UNO mitkämpfen können. Und „dort, wo es uns möglich war, finanziell oder mit Geräten, haben wir geholfen, beachtlich geholfen“. (Zu den Einzelheiten der Kriegshilfe: siehe Bericht in dieser Ausgabe, Seite 9)

Unterdessen attackierte das CSU- Organ 'Bayernkurier‘ gestern SPD und auch „Kirchenvertreter“, sie frönten dem Antiamerikanismus. „Gerade manche kirchlichen Demonstranten sollten die Botschaft des Evangeliums an ihre Mitdemonstranten weitergeben — dort heißt es nämlich nicht ,Habt Angst‘, sondern ,Fürchtet Euch nicht‘.“ Und frisch, fromm, fröhlich, frei heißt es weiter: „Systematisch wird von SPD-Vertretern Angst geschürt und Furcht verbreitet, wird Stimmung gegen Amerika verbreitet.“