Verbrannte Erde

■ Nach Meinung von Militärexperten gibt es keine Anzeichen für einen schnellen Erfolg gegen Irak

Das Mutmaßen über die Zahl der Kriegsopfer, insbesondere auf irakischer Seite, geht angesichts der geltenden Militärzensur weiter. Der Ex-Luftwaffengeneral und SPD-Bundestagsabgeordnete Manfred Opel hat gestern seine Vermutung bekräftigt, daß die Bombenangriffe der Allianz im Irak und in Kuwait bereits 300.000 Menschen getötet oder verletzt haben (die taz berichtete). Aufgrund eines Übersetzungsfehlers des englischen Wortes „casualties“ (Opfer) war irrtümlich der Eindruck entstanden, Opel habe von 300.000 Toten gesprochen.

Opel berief sich gestern in einem Interview mit der Nachrichtenagentur 'adn‘ auf „seriöse Quellen amerikanischer Freunde“ — die Zahlen würden in Casinos am Golf genannt. Den Piloten falle es immer schwerer, so Opel, mit den psychischen Folgen der massiven Bombeneinsätze zurechtzukommen. Mittlerweile seien bei der US- Armee Nachschubschwierigkeiten entstanden, so daß lediglich 2.000 statt täglich bis zu 6.000 möglichen Luftattacken geflogen werden können. Nach Opels Ansicht bestehen nur zwei Optionen für die USA: Entweder sie warten, bis die Rüstungsindustrie für Nachschub sorgt — und das könnte bis zu neun Monaten dauern —, oder sie gehen das Risiko ein, einen Bodenangriff ohne ausreichende Luftunterstützung zu starten. Der Ex-General glaubt, daß es keine Chance für einen raschen Sieg über den Irak gibt. „Es gibt keine sinnvolle militärische Option mehr“, sagte er. Wenn Kuwait befreit werde, handele es sich um „verbrannte Erde“. Für eine vollständige Besetzung Iraks fehle die Kraft.

Gert Bastian, ebenfalls Ex-Bundeswehrgeneral und früher Abgeordneter der Grünen, „fürchtet, daß die Angaben von Opel realistisch sind“. Bis jetzt seien bei etwa 10.000 Angriffsflügen insgesamt „100.000 Tonnen Bomben abgeworfen worden, die keinesfalls so präzise wie in einem Computerspiel plaziert werden können“. Ein „solcher zügelloser Bombenterror, der das irakische Volk massakriert, kann von der UNO nicht gemeint sein“. Bastian sprach sich gegenüber der taz für eine sofortige Feuerpause aus.

Daß die Angriffe der multinationalen Steitkräfte sich keineswegs auf militärische Ziele beschränken, sondern in großem Umfang der zivilen Infrastruktur sowie nichtmilitärischen Versorgungseinrichtungen der irakischen Städte gelten, davon zeugt der Strom- und Wasserausfall in der ansonsten gut versorgten Metropole Bagdad. Bei der Zerbombung von Wasser- und Elektrizitätswerken oder anderer Produktionsanlagen könne „nicht davon ausgegangen“ werden, daß dabei keine Menschen zu Schaden kämen. Thomas Worm