Das Fliegende Theater in Kreuzberg

Kaum hat die Windboe den Regenschirm erfaßt, da saust er auch schon davon. Er tanzt über den Asphalt, rutscht die Straße entlang und Herr Hallodu rennt atemlos immer hinterher. Halt, schreit er, das ist mein Schirm, bleib sofort stehen. Und damit beginnt ein abenteuerlicher Trip für den kleinen, fast winzigen Herrn Hallodu. Er wird von einem Ungestüm von Staubsauger verschluckt, kurzerhand wieder ausgespuckt, einem rasenden wildgewordenen Kochtopf kann er gerade nochmal entkommen und plötzlich ist, mitten auf einem Meer, ein bunter Jahrmarkt zu sehen. Nach einer Ballonfahrt im Eisbecher landet er irgendwann doch wieder sicher auf der Erde und bekommt sogar seinen geliebten Schirm wieder.

Das Alles und noch viel mehr könnt Ihr Euch selbst ansehen, wenn Ihr es nicht glauben wollt.

Wo?

Im Berliner Stadtteil Kreuzberg, in der Körtestraße, da residiert seit letztem Sommer das Fliegende Theater. Das heißt so, weil Fliegen etwas Schönes ist: man kann vom Boden abheben, durch die Welt segeln, auf alles runtergucken und die Wolken küssen. Ihr könnt Eure Gedanken und die eigene Phantasie auf die Reise schicken — mal sehen, was so alles geschieht.

Und das wollen die Macher dieses Puppentheaters. Sie wollen Euch mit ihren Stücken in Schwung bringen, unterhalten und Geschichten erzählen, die nicht immer nur erfunden sind. Und natürlich ein Lächeln in Eure Gesichter zaubern. Und das ist nicht immer so leicht.

Wie das Theater einmal angefangen hat, ist eine lange Geschichte.

Vor genau 12Jahren hatten 15Studenten an einem Weihnachtsabend eine zündende Idee: Sie wollten ein Puppentheater gründen. Sie gingen auf die Straße und spielten den Leuten einfach etwas vor. Und denen gefiel das. Also setzten sich die Studenten wieder zusammen und überlegten: Weil sie Euch nicht mit schon tausendmal gespielten Märchen langweilen wollten (und das tun sie bis heute nicht!), weil sie sich leichte und einfache Stücke mit vielen Abenteuern darin immer wieder ausdenken, haben sie damals gesagt: wir nennen uns einfach das »Fliegende Theater«. Weil Fliegen eben Spaß macht.

Wenn man aber für Kinder Theater machen will, dann braucht man außer vielen Ideen auch viel Geld — um eine Bühne zu bauen, Puppen und Dekorationen, man muß die Leute, die dafür arbeiten, bezahlen und und und. Das alles zu finanzieren, ist nicht so einfach. Aber sie schafften auch das. Zwar bekamen sie nie so viel Geld, daß sie alle Projekte auf die Bühne bringen konnten, aber sie haben eine Menge guter Stücke im Programm, die sie alle selbst geschrieben und einstudiert haben.

Nachdem das Fliegende Theater lange Zeit keine feste Spielstätte hatte und viel auf Tournee durch das ganze Land reiste, hat es heute in Kreuzberg ein eigenes Haus. Das bietet Platz für mehr als hundert Kinder. In der eigenen Werkstatt werden die Puppen von Hand geschnitzt, bemalt und angekleidet, ihnen sozusagen Leben eingehaucht, und Rudi, der Chef, macht auch Musik mit vielen manchmal tösenden Instrumenten. So spielen die Puppenspieler auf Tischbühnen, wo sie mit den Puppen und Figuren gemeinsam zu sehen sind, sechsmal in der Woche, dreimal vormittags und dreimal nachmittags, die Termine stehen immer in den Programmheften. Für große und kleine Leute geht der Vorhang auf, die zwischen 5 und 10Jahre alt sind, aber wirkliche Altersgrenzen gibt es natürlich nicht. Und wenn Ihr in der Schule einen geeigneten Raum habt, dann kommt das Fliegende Theater auch, wenn es eingeladen wird, in Eure Schule oder Freizeiteinrichtung. Ach so, die Karten: die kosten alle 7Mark, aber wenn Ihr beim Senat anruft, könnt Ihr sie auch billiger bekommen. (Das wissen aber Eure Lehrer und Eltern auch, welche Nummer man da wählen muß.)

Am Schluß möchte ich Euch noch ein paar Stücke vorstellen, die auf dem Programm stehen:

Pauline auf dem Lande: hat in den Ferien bei den Großeltern Abenteuer mit den Tieren dort und ihrem Punkerfreund Fritz zu bestehen; und auch, warum ihre schönen lange Haare plötzlich so kurz sind, erzählt diese Geschichte von Edelgard Hansen.

Io und Prinz Sesam: Das Märchen erzählt von der schönen Prinzessin Io, die eines Tages von einer bösen Fee in einen potthäßlichen Vogel verwandelt wird; vom Schuster Blomberg, der aus Schuhen Musik zaubern kann; von Frau Uhle, die Io einsperren und ihr das Singen beibringen will; und natürlich von Prinz Sesam, der wie Io auch irgendwie verzaubert wurde.

Ein Löwe im Wohnzimmer: Felix würde gern Löwenbändiger werden, damit ihm nicht nur die wilden Tiere, sondern auch die Mutter gehorchen. Als abends Schröders zu Besuch kommen, will er stolz seine Dressurnummer mit Dackel Wastel vorführen...

... und im April kommt dann ein neues Stück im Fliegenden Theater zur Aufführung: Vom dreibeinigen Hund, den keiner haben will, und dem Herr Dagelfinger für 20Mark das Fell abziehen will; es werden Katz und Mops auftreten und der kleine Zauberer Simselbrim. Das ganze wird von Rudi Schmid auf der Tischbühne erzählt und ein Blashorn hat auch was zu sagen ... Boris Erdtmann