Die Dinge im Setzkasten

■ Udo Kaller im Dasein an Sich

Das Schachbrett, durch das der Großwesir in der Quadratur des einzelnen Getreidekorns fast sein ganzes Reich verlor, dient auch dem Künstler unermeßlich bei der Schöpfung. Auf acht mal acht Farbfeldern entsteht ein farbenfreudiges Königreich, wie es sich Udo Kaller vorstellt und auslegt. »Der Dicke Kater« ist so eine Komposition, die der strengen Architektur des idealen Ebenmaßes in Quadraten folgt und mit vielerlei Motiven über die Felder verteilt spielt, ehe oben rechts in der Ecke der graubefellte Kater in den Blickpunkt rückt.

Nur das Handwerk knüpft diese Bedeutungsfelder und den Spieltrieb zusammen. In der Renaissance hat die Malerei um der naturgetreuen Abbildung willen abstrakte Verfahrensweisen erfahren. Nicht nur die Gegenstände selbst haben in sich Proportionen, die Anlage des goldenen Schnitts; auch an ihre Erscheinung ist eine Größenordnung im Raum angelehnt, die im Schema der Kästchenübertragung mathematisch genau zu kontollieren ist. Über das Raster aus Quadraten wird die Übertragung des äußeren Scheins berechenbar.

Diese Berechenbarkeit angesichts der formellen Reduzierbarkeit der Natur sucht Kaller zu überwinden. Die Natur bekommt innerhalb des Hilfsrasters verwirrende Züge. Mit jedem Kästchen bricht die Perspektive, Blickrichtung, mitunter auch der Gegenstand auf. Der Künstler antwortet dem Schematismus mit optischer Eigentümlichkeit. Vorne ist es eine Kirche, in der nächsten Ansicht bleibt davon nur noch eine blaue Abstraktion. Doch der Überblick wird immer gewahrt. Dazu nutzt Kaller die zugrunde gelegten naiven Motive. Hund, Katze, Baum, Haus und Vogel, immer wieder Landschaft, Tümpel, Teiche und Wälder.

Auf die Zerlegung und Zusammensetzung dagegen fällt das Schwergewicht. Denn innerhalb der Kästen konstruiert er diese Welt der einfachen Dinge neu. Formalisiert, aber nicht getreu der Abbildbarkeit, sondern um das Eigentümliche hervorzukehren. Teilweise erkennt man in der perspektivischen Verkantung der Bildelemente die Herkunft vom Holzschnitt wieder, bei dem durch scharfe Trennschnitte die Kontaste mehr als anderswo zur Abstraktion neigen.

Dennoch sieht sich Kaller in der Hauptsache als gegenständlicher Konstruktivist mit abstrakten Tendenzen und einem Faible für das Handwerkliche (in Anlehnung an die Grundgedanken des Bauhauses). Wie sehr bei ihm allerdings Farbe, in Harmonie und Gegenläufigkeit, im Mittelpunkt der Arbeit steht, zeichnet sich im geplanten Chaos der Darstellung ab. Von Feld zu Feld ergänzt und verstärkt sich die Farbwirkung gemäß ihres spektralen Auseinanderklaffens von blau zu braun, wie in der Dynamik im Mosaik von Kirchenfenstern. Die Motive werden rein farblich durchleuchtet. »Der Dicke Kater« oder »Barbara« halten sich demgegenüber bedeckt in Ecken, abgewandt verharrend in ihren Signifikantenketten. Nur »Die Vögel« tanzen ihren Matisse. Harald Fricke

bis 4.2.; Katzbachstr. 2, 1-61, Do+So 10-13, Do-So 15-18 Uhr