Plakate gegen sexuelle Nötigung

■ Kein Schmerzensgeld für Fahrlehrer / Frauen wehrten sich mit Plakaten

“Warnung“ prangt in großen Lettern auf einem Plakat, das Frauen im Frühjahr vergangenen Jahres in Walle verteilten. Darunter ein Foto von dem Fahrlehrer Klaus H. und eine Erklärung, daß er Frauen während der Fahrstunden mehrfach sexuell belästigt habe. Das Plakat ist nur ein Dokument einer großangelegten Flugblatt- und Plakataktion der Frauen.

Der Fahrlehrer erstattete Anzeige gegen Unbekannt, später nannte er Namen von Frauen, die er wegen der „Verleumdungskampagne“ verdächtigte und fand eine Zeugin, die die 19-jährige Ulla T. als Plakatvertreilerin ausgemacht haben wollte. Gegen sie klagte er auf Schmerzensgeld. Gestern verhandelte das Landgericht Bremen und fast fünfzig Frauen hörten zu.

Die ehemalige Fahrschülerin Ulla T. hatte eine Anzeige in der Zeitung aufgegeben, in der sie andere Betroffene suchte. Die Frau des Fahrlehrers hatte sich unter falschem Namen auf die Chiffre- Anzeige gemeldet und die Beklagte so gefunden.

Als Ulla T. eine Vorladung beim Gericht wegen der Verleumdungssache in Haus flatterte, erstattete sie Strafanzeige gegen den Fahrlehrer. Die anderen ehemaligen Fahrschülerinnen ließen sich durch seine Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen einschüchtern und hatten Angst vor einer Erörterung ihrer Erlebnisse. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen den Fahrlehrer wegen des Verdachtes auf sexuelle Nötigung.

Richter Günther Vorbeck versuchte gestern mit Engelszungen, den Fahrlehrer zum Rückzug seiner Klage zu bewegen. Das Handzettelverteilen sei zwar Selbstjustiz, so die Begründung, und die sei verboten. Die Ermittlungsakte gegen den Kläger habe aber allerhand „Unschönes“ zutage gefördert, das die Gegenwehr der Frauen „verzeihlich“ und deshalb keineswegs „widerrechtlich“ erscheinen lasse, so Vorbeck. Der Richter erklärte, daß die Vorwürfe der Frauen ausreichen, um ihre Aktion zu rechtfertigen - selbst wenn der Fahrlehrer in dem zu erwartenden Strafprozeß wegen sexueller Nötigung freigesprochen würde.

Der Fahrlehrer und sein Anwalt ließen sich jedoch nicht von ihrer Klage abbringen. Auch die hohen Gerichtskosten schreckten den Fahrlehrer nicht.

Der Fahrlehrer hatte nicht nur Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Mark gefordert, sondern auch 6.600 Mark Verdienstausfall reklamiert, weil schon angemeldete Fahrschülerinnen ihre Verträge mit seiner Fahrschule gekündigt hatten. Weiterhin wollte er 45 Mark für das Reinigen einer Fensterscheibe und den Zeitaufwand seiner Familie, die sich am Plakateentfernen beteiligt hatte, entschädigt wissen.

Das Verfahren wurde bis zum Abschluß des Strafprozesses, der wahrscheinlich in einigen Monaten beginnen wird, ausgesetzt. Beate Ramm