Der gewaltsame Tod des Angolaners Antonio Amadeu

■ An den Folgen eines rassistischen Überfalls starb bereits Anfang Dezember letzten Jahres ein junger Angolaner/ Sein Tod wurde erst jetzt bekannt — seine Landsleute kämpfen nun um die Aufklärung des Falles/ Die meisten von ihnen wollen aufgrund familiärer Bindungen in Deutschland bleiben

Eberswalde. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb Anfang Dezember der 28jährige Antonio Amadeu aus Angola an den Folgen eines rassistischen Überfalls. In Eberswalde, knapp 20 Kilometer von Berlin entfernt, hatten in der Nacht zum 24. November mindestens 50 Neonazis das Opfer und seine sieben afrikanischen Begleiter angegriffen. Die angolanischen und mosambikanischen Arbeiter befanden sich auf dem Nachhauseweg von einem Diskoabend des örtlichen »Hüttegasthofs«, als sie von den Skinheads mit Messern und Gaspistolen attackiert wurden. Während sich die übrigen Angegriffenen trotz des ungleichen Zahlenverhältnisses erfolgreich wehren bzw. mit schweren Schnittverletzungen in Sicherheit bringen konnten, wurde Antonio Amadeu bewußtlos in das lokale Krankenhaus eingeliefert. Dort verstarb er wenige Tage später an den Folgen der Verletzungen, ohne jemals sein Bewußtsein wiedererlangt zu haben.

Der Tod des jungen Angolaners ist für seine Freunde die traurige Spitze eines von rassistischen Provokationen bestimmten Alltags in der ehemaligen DDR: »Wir hatten hier immer unrecht«, sagt Teofilo Talo (Name geändert). Von Anfang an habe es in ihrem Betrieb rassistische Auseinandersetzungen gegeben, hätten kleingeistige Hänseleien und aggressive Anpöbeleien ihren Arbeitsalltag bestimmt.

Erschreckt habe sie aber vor allem die »totale Untätigkeit« der deutschen Passanten und Kollegen. Auch auf die lokale Polizei sind viele der schwarzen Eberswalder nicht gut zu sprechen. Die soll sich nach Darstellung der Augenzeugen während des Überfalls passiv verhalten haben. Während sich in der Kleinstadt allwöchentlich Gruppen von Neonazis aus Rostock, Angermünde und Schwedt treffen, bleibe die Polizei angesichts der hohen rechtsradikalen Gewaltbereitschaft oft passiv. Immer wieder, so berichteten die Afrikaner, sei es nach lautstarken Gelagen zu »fanatischen Angriffen« gegen sie und afrodeutsche Bürger gekommen. Selbst der Bürgermeister konnte die regelmäßigen Treffen bisher nicht verhindern. Allerdings wolle er sich dafür einsetzen, daß die Neonazis fortan »ihre Waffen zu Hause lassen«.

Im Zusammenhang mit dem Überfall auf Amadeu und seine Freunde wurden elf Skinheads festgenommenen, acht jedoch umgehend wieder freigelassen. Für Ex- DDR-Verhältnisse ungewöhnlich hartnäckig sprachen die überfallenen Afrikaner mehrfach bei der Polizei vor und drängten darauf, die Festgenommenen bis zur Aufklärung des Überfalls festzuhalten. Inzwischen befinde sich jedoch nur noch ein Tatverdächtiger in Haft.

»Mord ist doch kein Spiel«, meint Teofilo und weist in diesem Zusammenhang auch auf die polizeiliche Weigerung, den Leichnam des Ermordeten zu überführen, hin. Ein Angehöriger der angolanischen Botschaft zeigte sich bei einem Besuch in Eberswalde entsetzt über das Ausmaß der rassistischen Gewalt, konnte aufgrund fehlender Ermittlungsergebnisse aber auch nichts weiter unternehmen.

Nachdem Beschwerden bei der Polizei zu nichts geführt hatten, berichteten drei der Zeugen noch im letzten Jahr einem Lokalreporter von der nächtlichen Attacke. Trotz ihrer eindringlichen Bitte, ihr Foto nicht zu veröffentlichen, erschien einige Tage später ihr Bild zusammen mit dem Bericht in der lokalen Zeitung. Daraufhin seien »Horden von bewaffneten Skinheads« mit dem Foto durch die Innenstadt gelaufen, um es den »Scheiß Negern« zu zeigen. Am 24. Dezember mußte die Polizei dann sogar das betriebliche Wohnheim in der Leninstraße räumen lassen, da sie von einem geplanten Rachefeldzug erfahren hatte. Anstelle der erwarteten 300 Jugendlichen erschienen dann aber nur 70 Skins, die außer Beschimpfungen keine Angriffe gegen das an diesem Tag von der Polizei gut geschützte Heim unternehmen konnten.

Bis vor kurzem wohnten die Angolaner dort zusammen mit rund 100 Landsleuten. Während ihre kubanischen Kollegen zumeist im Kranbau tätig waren, schufteten sie seit August 1987 für die ostdeutsche Fleischindustrie im lokalen Schlacht- und Verarbeitungskombinat (SVKE). Heute sind bis auf 14 alle der früher als unersetzlich geltenden Fleischer in ihre Heimat zurückgeschickt worden. Die jetzt noch in Eberswalde wohnenden sind fast alle ohne Arbeit und mit großen aufenthaltsrechtlichen Problemen konfrontiert. Dennoch halten sie vor allem familiäre Bindungen in Deutschland. Auch Antonio Amadeu war mit einer jungen Deutschen verheiratet, die in Kürze ein Kind erwartet.

Seit den vermehrten Überfällen gehen die Afrikaner »nur noch zu dritt zum Einkaufen« und verlassen »nach 19 Uhr allenfalls bewaffnet« das Haus. Angesichts dieser hoffnungslosen Situation suchen sie nun verstärkt den Kontakt zu schwarzen Berlinern. Letzte Woche nahmen die Angolaner aus Eberswalde erstmals Kontakt mit dem Berliner »Black Unity Committee« auf und berichteten ausführlich über den Überfall. Für Anfang Februar planen schwarze Deutsche aus Ost- und West-Berlin sowie Angolaner und Mosambikaner eine große Solidaritätsveranstaltung. Nini Accra