Der wendige Marathon-Mann

■ Neu im Kabinett (II): Ulrich Roloff-Momin, Kultursenator für die SPD, wird es schwerhaben

Rathaus. Es hätte schlimm kommen können: Für den Posten der KultursenatorIn drohte der politische Permanentbluff Gertrud Höhler, die Gunilla von Bismarck der christlichen Immer-nur-beinahe-MinisterInnen. Geschafft hat es diesmal ein anderer Reservist: Ulrich Roloff-Momin, seit 1977 Präsident der Hochschule der Künste. Der Jurist Roloff-Momin, 51, hat sich schon vor zwei Jahren als Kultursenator der rot-grünen Koalition ins Gespräch gebracht: Nur wenige Tage nach der Wahl hatte er ein unausgegorenes Modell zur administrativen Gestaltung der nagelneuen »dezentralen Kulturarbeit« vorgestellt. Allein: Die Stunde des Hobby-Marathon-Läufers war noch nicht wieder da. Momper wollte wohl gar keinen potentiell starken Kultursenator neben sich.

Und auch jetzt mochte sich die SPD offenbar nur schwer entscheiden, den zur Zeit parteilosen Ex-FDPler auf ihrem Ticket ins Rennen zu lassen. Erst in allerletzter Minute wurde die schillernde Person vorgestern bestätigt. Zwischenzeitlich war selbst Glücklos-Senatorin Anke Martiny bei den suchenden Sozis wieder im Gespräch gewesen. Gewählt wurde er schließlich mit nur 148 Stimmen, einige davon dürften von der AL abgegeben worden sein.

Nicht zuletzt hatte Roloff-Momin noch im November nach der Räumung der Mainzer Straße durch den SPD-Innensenator gemeinsam mit anderer städtischer Kulturprominenz die Einsetzung einer unabhängigen Kommission zur Untersuchung der Vorgänge gefordert. Jetzt wiederum will sich derselbe Konfrontationsgegner mit Pätzold- Nachfolger und Studentenprügelungsinitiator Dieter Heckelmann an einen Senatstisch setzen. Während dieser beim Studentenstreik die EbLT (Einsatzbereitschaft für besondere Lagen und Training) rief, stellte jener wegen des Diebstahls einer Besetzerflagge auf dem HdK- Gebäude Strafanzeige. Weil er die Verantwortung übernahm für die von Studenten protest-besprühten Fassaden eines Hdk-Gebäudes, das als Asylbewerberunterkunft umgenutzt werden sollte, wurde 1983 von Innensenator Kewenig ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dieses wurde eingestellt, der Delinquent wurde jedoch zu 18.000 DM Schadenersatz verurteilt.

Dabei hatte sich Roloff-Momin selbst bislang als großer Wendefeind dargestellt: Schließlich war der ehemalige Steglitzer Bezirksverordnete (1971-75) und Vorsitzende des Kulturausschusses des Abgeordnetenhauses (1975-77) nach dem Ende der sozialliberalen Koalition 1983 aus der FDP ausgetreten, was ihn offenbar nicht daran hindert, jetzt ausgerechnet für eine große Koalition zu arbeiten. Ebendieselbe brüstet sich damit, die »multikulturelle Gesellschaft« aus den Koalitionsvereinbarungen getilgt zu haben. Auch dies schreckt den Mann nicht, der schon 1989 wußte: »Der Begriff der Weltstadt ist verbraucht, was wir jetzt werden können, ist eine multikulturelle Großstadt.«

Wenn also die Tatsache, sich an einer solchen Regierung überhaupt zu beteiligen, entweder windig oder blauäugig ist, so ist mit Roloff-Momin ausnahmsweise ein erfahrener Kenner und streitlustiger Aktivist der hiesigen Kulturszene Verwaltungschef geworden. Der Nicht- Hobby-Flötist, -Maler oder -Poet ist im Besitz einer der feinsten Leder- Schühchen-Kollektionen. Er verfügt über eine ganze Reihe höchst bunter Krawatten und Hemden und ist Vorsitzender der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst. Offiziell ließ er mitteilen, seine besonderes Engagement habe »immer der Sicherung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Künstlern in der Stadt sowie der alternativen und freien Kulturarbeit« gegolten, die er als »lebenswichtige Hefe für die großen etablierten Kulturinstitutionen und das kulturelle Leben Berlins« ansehe. Ähnliches auf dem Posten des Kultursenators gegen Diepgen, Pieroth und Heckelmann durchzusetzen, dürfte nicht leicht werden. Doch selbst wenn Roloff-Momin, dem allerdings ein sehr breites Kreuz nachgesagt wird, in diesem Senat nicht bald auf völlig verlorenem Posten stehen sollte: Eigentlich hätte ihn jetzt auch die finanziell bedrohte HdK als Fighter gebraucht. grr