Der Mehltau senkt sich ...

■ Zur neuen politischen Kultur der großen Koalition KOMMENTAR

Harry Ristock, Altväterchen der SPD-Linken, warnte seine Partei vor einer großen Koalition. Sie werde sich wie Mehltau über die Stadt legen und die politische Kultur unter sich ersticken. Das plastische Bild hat sich nicht nur in den verwaschenen Koalitionsvereinbarungen und der mittelmäßigen Besetzung des neuen Senats bestätigt. Auch die gestrige Parlamentssitzung zeigte, womit man in Zukunft zu rechnen hat. Gegen das übermächtige CDU/SPD-Lager hat kein Antrag der Opposition eine Chance — um so mehr sollte man ihr wenigstens zuhören. Die CDU verließ demonstrativ den Raum oder pöbelte, als die PDS das Wort hatte. Diese Notkoalition wird sich bald nicht nur daran messen lassen müssen, wieviel Geld sie in Bonn locker macht und wie viele Industrieansiedlungen sie vermelden kann. Sondern: Welches innenpolitische und soziale Klima wird sie in der Stadt erzeugen? Ein Innensenator Heckelmann läßt wenig Gutes ahnen, und auch andere Namen im neuen Kabinett stehen nicht gerade für Liberalität. Auch wenn die SPD beteuert, dafür weiterhin einzustehen: Sie hat Heckelmann mitgewählt, sie ist in die Koalition eingebunden. Der Umgang mit der Opposition, mit Minderheiten in der Stadt, wird schnell zum „Essential“ der großen Koalition werden. Um so notwendiger, die Rechte der Opposition zu stärken — auch gegen den Widerstand der eigenen Partei. Kordula Doerfler