Frieden rettet Israel!

■ Betr.: "Frieden oder rettet Israel", "Solidarität mit Israel", taz vom 19.1.91

betr.: „Frieden oder rettet Israel“, Kommentar von Klaus Hartung, Aufruf von W.Schenk „Solidarität mit Israel“ (im Berliner Lokalteil), taz vom 19.1.91

Wir haben mit Entsetzen und Unverständnis den Kommentar von Hartung und den Aufruf von Schenk zur Kenntnis nehmen müssen. Wir halten diese Art von Solidarität mit Israel und diesen Versuch, Israel retten zu wollen, für absolut unverantwortlich gegenüber den dort lebenden Menschen und gegenüber allen Unschuldigen der Region. Wir solidarisieren uns hingegen mit den KriegsgegnerInnen in Israel und allen jüdischen FriedensaktivistInnen.

Die aktive Beteiligung Israels am Krieg (das ist es ja wohl, was Hartung fordert!) bedeutete eine weitere schreckliche Eskalation, die niemand, auch nicht Israel retten wird.

In dem Aufruf und dem Kommentar wird im nachhinein versucht, den von den USA am 17.1. begonnenen Krieg zu legitimieren. Dieses Denken kalkuliert nicht nur unermeßliche Kriegsgreuel, Zerstörungen und Massen von Opfern ein, sondern geht immer noch davon aus, daß so ein Krieg begrenzbar wäre. Welche Illusion! Die Konflikte können nur auf einer Nahostkonferenz gelöst werden, die die Palästinenserfrage beantwortet und eine Sicherheit Israels zum Beispiel durch Abrüstung des Irak gewährleistet. Auf einer solchen Konferenz müßte auch die Sicherung eines gerechten Ölpreises erreicht werden.

Für uns heißt Solidarität mit Israel und allen Unschuldigen in dieser Region, sofort mit diesem Krieg aufzuhören, ihn sofort zu stoppen! [...] Britta Averkamp-Peters, Regine Strecker, Uta Gerdes, Antje Kahl, Steffen Bücher, Berlin)

betr.: „Deutliche Kritik an Friedensbewegung“, „Frieden oder rettet Israel“, „...so etwas wie Zwangsabrüstung“ (Interview mit Konrad Weiss), taz vom 19.1.91

So langsam glaubt mensch es nicht mehr. War vor Jahren die Friedensbewegung noch kommunistisch unterwandert, scheinen es nach Meinung mancher mittlerweile die PLO und Saddam Hussein zu sein, die uns verblendete Friedensliebende lenken, leiten und bezahlen.

Vielleicht demonstrieren so viele Menschen, weil all die alten Friedensbewegten ihren Antifaschismus mit Waffengewalt beweisen möchten? Tötet hundert Araber und rettet damit einen Israeli — welch ein Beweis deutscher Nachkriegs(?)menschlichkeit! Es scheint also eine neue Schere im Kopf der Friedensbewegung zu geben. Zu dieser Schere sagte Heiner Geißler, daß die Pazifisten verantwortlich seien für den Holocaust im Dritten Reich. Begeisternd, wie sich manch alte Kämpen dieser Interpretation jetzt anschließen. [...]

Wurde von manchen einfach vergessen, was der Wunsch nach Frieden bedeutet? Frieden rettet Israel — kein Krieg, keine primitiven, präventiven Massenvernichtungen! Mehr noch: Nicht der Staat Israel ist zu retten, sondern die Menschen, das einzelne Individuum muß endlich geachtet werden. Solange Staats-, System-, Wirtschafts-, Militär- und Sicherheitsinteressen über die Menschen gestellt werden, wird es weder Frieden im Nahen Osten noch sonstwo geben. [...] Rainer Landele, Trier

Einen Vorwurf muß sich die Friedensbewegung sicher gefallen lassen, warum sie erst mit Ablauf des UNO-Ultimatums so aktiv geworden ist. Die anderen Vorwürfe, wie Antiamerikanismus, proirakische Kundgebungen, eine Ignoranz der Gefährdung Israels halte ich für nicht gerechtfertigt, weil übersehen wird, daß die Proteste zuallererst eine klare Absage an den Krieg als Mittel zur Konfliktlösung sind. Diese Aussage gilt für alle Beteiligten des Golfkrieges und als solche für die Gegenwart und Zukunft. Daß es daneben andere gibt, ist unbestritten; doch sind sie in der Minderzahl.

Der Vorwurf, die Friedensbewegung würde die Rüstungsexporte des eigenen Landes in den Irak ignorieren, läßt sich so nicht aufrechterhalten, denn aus ihren Reihen wird die Beteiligung deutscher Firmen scharf verurteilt, seitdem sie bekannt ist. Der Vorwurf sollte hier eher an die verantwortlichen Politiker gehen, die nach wie vor große Zurückhaltung und Nachsicht gegenüber betroffenen Firmen zeigen.

Mit dem Ausbruch des Krieges wird kein einziger Konflikt dieser Region wirklich gelöst. Ich fürchte, daß sich die Fronten eher verhärten. Ein neues Feindbild, das des fanatischen Moslems, ist geschaffen. Die Positionen der USA und Israels könnten sich erhärten, daß man mit den Palästinensern nicht verhandeln könne. Hierfür liefere Husseins Aggression eine neuerliche Begründung. Auf der anderen Seite ist die betroffene arabische Bevölkerung, deren Zorn und Haß gegenüber der westlichen Welt und Israel nicht kleiner werden wird angesichts ihrer erlebten Ohnmacht gegenüber einer großen Übermacht, dem Bündnis USA, Europa und Israel. Die Chance für eine Verständigung beider Seiten und für eine friedliche und menschenwürdige Lösung für alle Betroffenen dieser Krisenregion ist auf lange Sicht zerstört worden. Dorit Hohniski-Muhlich, Berlin

Henryk M.Broders Äußerungen sind als Ausdruck seiner Belagertenmentalität zu verstehen. Deshalb können sie kein Gegenstand politischer Diskussion sein. Die Folgen massenhaft verbreiteter Belagertenmentalität waren und sind allerdings immer verheerend: Alle Erscheinungen werden in nur ein Erklärungsschema eingeordnet, das in sich zudem starr nach Freund/Feind, gut/ böse, schwarz/weiß strukturiert ist. Diese Haltung läßt eine vernünftige, das heißt nicht von Denkverboten begrenzte, schöpferische Diskussion nicht zu. Außerdem ist Belagertenmentalität die psychische Basis für aggressive Handlungen; Gewalt, physische Vernichtung, Krieg werden als selbstverständliche Lösungen von Problemen akzeptiert. Barbara Kunz-Bürgel, Bremen

[...] Nach den irakischen Raketenangriffen gegen Israel haben die Gegner der Friedensdemonstrationen Verstärkung aus dem Lager der Linksintellektuellen bekommen.

Wie weit dabei die Logik der Militärstrategen verinnerlicht wurde, zeigt der Kommentar von Klaus Hartung, der nach den ersten Angriffswellen „Erleichterung“ konstatiert und in der Präzisionskriegsführung der USA das „Primat der Politik“ gewahrt sieht. Wer wie er die militärische Macht als beste Garantie israelischer Sicherheit betrachtet, erliegt demselben verhängnisvollen Irrtum, der seit Jahren die israelische Politik bestimmt und der ein wesentliches Hindernis einer Lösung der Nahost- Probleme ist. Der Golfkrieg löst kein Problem im Nahen Osten, sondern legt „bestenfalls“ den Grundstein für einen weiteren Waffengang. [...]

Äußerungen wie „Soldaten sind die wahren Pazifisten“ von A.Glucksmann oder die Bezeichnung des Golfkriegs als „Zwangsabrüstung“ nach dem Abwurf von 50.000 Tonnen Bomben (Konrad Weiss), sind die pervertierte Form einer Kritik, die von der Friedensbewegung nicht weniger als den politischen Selbstmord verlangt.

Die Konsequenz wäre, daß in Zukunft Kriege sich jederzeit mit scheinheiligen Erklärungen und unter Hinweis auf eine von einer Handvoll Staaten festgelegten Friedensordnung rechtfertigen ließen. Deshalb kann die einzige Position der Friedensbewegung zu jedem Krieg nur ein entschiedenes, eindeutiges Nein sein, und das bedeutet für den Golfkrieg die Forderung nach sofortigem Stopp aller Kampfhandlungen! Guntram Fink, West-Berlin

Da werden der Friedensbewegung die Rüstungsexporte in die Schuhe geschoben, nur um sich mit denen zu verbünden, die über ein Jahrzehnt sich an den kurdischen und iranischen Giftgastoten geweidet haben. Vor allem werden Israel, die EG und die USA von jeder Verantwortung für den Zustand des Nahen Ostens freigesprochen. Eine genüßliche und extensive Beschreibung des Kranheitsbildes von Saddam ersetzt die Analyse. Neue Denkansätze beziehungsweise alte Positionen der Friedensbewegung zerschellen unter den Schlagworten Wörners und Schwarzkopfs. [...] Dieter Rebstock, Leonberg

Was ich bei unzähligen Demonstrationen erlebt habe ist, daß die Betroffenheit der Menschen über den Massenmord im Golfkrieg im Vordergrund steht. Daß mensch einfach wütend darüber ist, daß die Mächtigen der Erde zur Sicherung ihrer wie auch immer gearteten Interessen, das Volk dran glauben lassen.

Ich hätte nie erwartet, in der taz ungefähr dasselbe zu lesen zu bekommen, was ein Manfred Wörner sagt: Die Friedensbewegung fällt der USA (gut) in den Rücken, die gerade dabei ist, die Welt vor Saddam Hussein (schlecht) zu bewahren. Wo doch Präsident Bush zu Gott betet, daß dabei die Zivilbevölkerung geschont wird. [...] Bleibt noch zu erwarten, daß demnächst in der taz amnesty international als Avantgarde des Antiamerikanismus enttarnt wird, weil sie die dortigen Menschenrechtsverletzungen, wie zum Beispiel die Todesstrafe, anprangert. [...] Johannes Kuhn, Neuhofen