Hongkongs Gouverneur in China abgeblitzt

Peking will am Beispiel des geplanten Flughafenprojekts zeigen, daß ohne seine Einwilligung in der Kolonie nichts mehr läuft  ■ Aus Peking Boris Gregor

Nach den Tienanmen-Massaker gab es offenen Krach zwischen Hongkong und der Volksrepublik: Peking machte wegen der Protestdemonstrationen „subversive Elemente“ in der britischen Kronkolonie aus, die das sozialistische System untergraben wollten, der Gouverneur verbat sich solche Töne. Nun klirrt es erneut im Verhältnis zwischen Mutterland und der Metropole an der Mündung des Perlflusses, die ab 1997 von den britischen Kolonialherren verlassen und zu einer „Sonderverwaltungszone“ Chinas wird.

Ursache diesmal: der geplante Bau eines Großflughafens in der britischen Kronkolonie im Wert von 127 Milliarden Hongkong-Dollar (umgerechnet rund 25 Milliarden Mark). Zum Projekt gehört auch die Erweiterung des Containerhafens. Es scheint, daß auch Gouverneur Sir David Wilson bei seinem gestern beendeten Peking-Besuch die Differenzen nicht hat ausräumen können. Es habe „offene Gespräche“ mit Pekings Ministerpräsident Li Peng gegeben, ließ Wilson später verlauten — im Sprachgebrauch der KP das Synonym für ziemlichen Krach.

Die Regierung in Peking ist beleidigt, weil die Briten den Flugplatz Chek Lap Kok geplant haben, ohne das Projekt vorher mit ihr abzusprechen. Sie fürchten, daß die Investitionen so hoch sein werden, daß die Finanzreserven der Stadt (derzeit 70 Milliarden Hongkong-Dollar) bei ihrer Ankunft aufgebraucht sein werden. Nun wollen sie ein Exempel statuieren. Alle wichtigen Vorhaben Hongkongs, erklären sie, müßten vorher mit Peking abgestimmt werden.

London dagegen beharrt darauf, bis zur Übernahme der Stadt durch Peking 1997 schalten und walten zu können, ohne die künftigen Herren um Genehmigung zu bitten. Die Entscheidungen über die ersten Bauverträge stehen denn auch kurz bevor. Die Briten sind dabei in der Klemme: Sie brauchen beim Flughafen das Wohlwollen der KP, denn ohne grünes Licht aus Peking dürften sich wohl keine privaten Investoren für den riesigen Bau finden. Dennoch gibt sich London unnachgiebig, das Außenministerium zitierte kürzlich sogar Pekings Botschafter, um ihm, wie es in Whitehall hieß, „Gelegenheit zu geben, die unversöhnliche Haltung seiner Regierung zum Flughafenprojekt“ zu erläutern.

Die Nochkolonialherren sind davon überzeugt, daß Hongkong den neuen Flughafen dringend benötigt, um seine Rolle als wirtschaftliche Drehscheibe Asiens auch nach 1997 spielen zu können. Der alte Airport Kai Tag, nur mit einer Piste ausgestattet, sei schon jetzt überstrapaziert, seine endgültige Kapazitätsgrenze 1994 erreicht.

Das liberale Mitglied des Hongkonger Stadtrates, Rechtsanwalt Martin Lee, hält Pekings Haltung für baren Unsinn: In der gemeinsamen Erklärung zur Übernahme der Stadt, so argumentiert er, sei die Verantwortung der Briten und nicht der Chinesen für Hongkong festgeschrieben. Der Streit sei Anzeichen für die politische Klimaverschlechterung: „Wenn die chinesische Regierung nicht auf unsere Forderung hört, werden wir rauhe Zeiten erleben.“