Israel will Zurückhaltung wahren

Bei der Debatte der israelischen Regierung, ob und wie man auf die irakischen Raketenangriffe reagieren solle, spielt Sorge um das politische Schicksal des jordanischen Königs mit  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach der gestrigen Sitzung des israelischen Kriegskabinetts wurde bekanntgegeben, daß Israel im Augenblick Zurückhaltung wahrt und den Gegenschlag auf den Irak auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Die gemeinsame Front gegenüber dem Irak wird von den USA und Israel von nun an eng koordiniert. Der persönliche Vertreter des US-Präsidenten, Lawrence Eagleburger, hat seinen Aufenthalt in Israel weiter verlängert.

Informationen aus Washington und Israel weisen darauf hin, daß die USA vermeiden wollen, daß israelische Flüge oder Überflüge im jordanischen Luftraum zu einer Annäherung Jordaniens an den Irak oder zu einer gemeinsamen irakisch-jordanischen Kampffront gegen Israel führen. Deshalb ist Washington bemüht, einen Luftkorridor für Israel oder ähnliche Kompromißarrangements auszuhandeln.

In einem Leitartikel der 'Jerusalem Post‘ (24.1.) wird der jordanische König Hussein kritisiert, weil er den Irak unterstützt. Von Amman aus werde wahrscheinlich eine Welle des Terrorismus gegen die Mitglieder der Anti-Saddam-Koalition ausgehen, schreibt die 'JP‘. Schlimmer noch, König Hussein lasse zu, daß Saddam Husseins ballistischen Raketen durch den Luftraum Jordaniens nach Israel fliegen. Jedenfalls könne man König Hussein nicht trauen, und israelische Flugzeuge, die Jordanien überfliegen, könnten eventuell von der jordanischen Luftwaffe und Luftabwehr attackiert werden. „Die amerikanische Ablehnung der Eröffnung einer zweiten Front gegen den Irak durch Israel (zu diesem Zeitpunkt) dürfte weniger mit der tatsächlich unbegründeten Angst zu tun haben, daß ein solcher Schritt eine unerwünschte Auswirkung auf die arabischen Mitglieder der Anti-Saddam-Koalition haben könnte, als mit der Sorge um das Schicksal des jordanischen Königs Hussein. Die USA haben Grund zur Annahme, daß König Hussein, wenn es ihm nicht gelingt, israelische Überflüge über Jordanien zu verhindern, durch seine Saddam unterstützende Bevölkerung gestürzt wird. Sollte er allerdings versuchen, die Israelis in ihren Aktionen zu stören, wird mit aller Wahrscheinlichkeit seine Luftwaffe (von Israel) zerstört werden und damit auch sein Regime zusammenbrechen. In Anbetracht der Tatsache, daß der König sich völlig mit dem scharfen Anti-Amerikanismus Saddam Husseins identifiziert, muß man sich fragen, warum die US—Regierung die (jordanische) Monarchie überhaupt noch erhalten will; insbesondere wenn dies den Krieg verlängert.“, so das Ende des Leitartikels.

Der bekannte amerikanische Publizist Norman Podhoretz, Redakteur der neokonservativen Zeitschrift 'Commentary‘, sagte am Ende eines kurzen Besuchs in Israel, er glaube, daß Washington Israel nicht weiter von einem Gegenschlag abhalten sollte. Zwar käme ein israelischer Gegenschlag der Bush-Regierung nicht ganz gelegen, aber, meint Podhoretz, wegen der starken antiirakischen Gefühle in den USA würde eine israelische Vergeltungsaktion Israel noch viel populärer bei der amerikanischen Bevölkerung machen. Diese öffentliche Meinung werde wiederum Washington entsprechend beeinflußen.

In den besetzten Gebieten dauert das verschärfte Ausgehverbot jetzt schon acht Tage lang an. Seit Beginn der Ausgangssperre wurden mehr als hundert Palästinenser wegen „Curfew-Verletzung“ von Militärgerichten zu bis drei Monaten Gefängnis und Geldstrafen von 500 Dollar verurteilt.

Die Führer der arabischen Bevölkerung Israels haben gemeinsam eine Erklärung herausgegeben, in der sie sowohl die irakischen Raketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung verurteilen als auch die amerikanische Aggression gegen den Irak.

Linke Friedensgruppen in Israel brachten ein Flugblatt heraus, in dem sie sofortigen Waffenstillstand, israelische Nicht-Intervention und Friedensverhandlungen fordern. In diesem Zusammenhang soll am Freitag mittag eine Protest- und Friedensdemo vor der US-amerikanischen Botschaft in Tel Aviv stattfinden.