Sind die Deutschen bereits Teil des Golfkrieges?

■ Unklare Rechtsposition der Bundesregierung: Tritt für die Deutschen der Bündnisfall ein oder die UN-Charta?

Berlin (taz) — Bundeskanzler Helmut Kohl hat sich am Mittwoch vor der Bonner Presse festgelegt: Ein Einsatz deutscher Soldaten am Golf sei aufgrund der Verfassungslage nicht möglich. Die Äußerung ist zwar eindeutig, läßt aber bewußt offen, auf welcher Rechtsgrundlage er sich dabei bewegt: Beschreibt der Kanzler die Verfassungslage hinsichtlich der UN-Charta oder spielt er auf den Nato-Vertrag, also die im Augenblick vielzitierte „Bündnisfrage“ an?

Wenn also Kohl erklärte — so der Sprecher des Bremer Justizsenators, Jürgen Hartwig, in einem Gespräch mit der taz —, daß ein Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen der UN nicht möglich, da verfassungswidrig sei, hätte er gar nicht erst zulassen dürfen, daß deutsche Einheiten in den östlichen Mittelmeerraum oder nach Ostanatolien entsendet werden. Denn dies diente bereits der Entlastung der sich damals bildenden Anti-Irak-Allianz.

Als sich die Türkei entschloß, den ostanatolischen Flughafen Erhac zur Verfügung zu stellen, hat sie sich damit gleichzeitig der von den Vereinten Nationen sanktionierten antiirakischen Allianz angeschlossen. Durch die Verlegung der 200 bundesdeutschen Luftwaffensoldaten und 18 Alphajets auf diesen Flughafen ist die Bundesrepublik praktisch Teil dieser Allianz geworden. Was aber, so Hartwig, vor Ablauf des Ultimatums noch als Abschreckung galt, „ist nach Eröffnung der zweiten Front ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Beteiligung am Golf-Krieg“. Die Bundesregierung müsse sich nun entscheiden, ob ihre Beteiligung an der UN-Aktion mittelbar militärisch oder nichtmilitärisch bleibt, oder „ob sie sich an der Anwendung militärischer Gegengewalt beteiligen will“.

Sollte sich Kohl aber auf den rechtspolitisch mehr als umstrittenen sogenannten „Bündnisfall“ nach Artikel 5 und 6 des Nordatlantik-Vertrages beziehen wollen, so wäre ihm nur zuzustimmen, wenn er eine Beteiligung deutscher Soldaten am Golfkrieg ablehnt. Denn seit dem Einsatz der US-Luftwaffe von der Türkei aus kann nicht mehr von einem Verteidigungsfall gesprochen werden.

Der Irak würde nämlich, sollte es soweit kommen, nicht das Nato- Mitglied Türkei angreifen und damit die Beitrittsverpflichtung auslösen, sondern in die von den USA eröffnete zweite Front einsteigen. Daraus folgt freilich nicht, wie Justizsenator Volker Kröning, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission der SPD, in seiner Stellungnahme ausführt, „daß die Bundesrepublik von einem Angriff des Irak auf die Türkei unberührt bliebe“. Allerdings könnte die BRD ihre Beistandspflicht auch weiterhin indirekt erfüllen, indem sie sich zum Beispiel auf Militär- oder finanzielle Hilfe beschränke. bg