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Vielfältiger Protest gegen den Krieg

■ Mit ihrem „Nein zum Krieg“ prangern junge DemonstrantInnen beide Kriegsparteien an

Was ist auf Deutschlands Straßen, seit am Golf die Bomber und die Raketen fliegen, geschehen? Was hat die Hunderttausenden jungen Menschen, die aus Schulen und Universitäten auf die Straßen strömten, bewegt? Was wollen die vielen Friedensbewegten aus den Kirchen, den Gewerkschaften und aus politischen Gruppierungen, die sich jetzt plötzlich mit dem Vorwurf des Antiamerikanismus oder gar Antisemitismus konfrontiert sehen? „Amis go home“ war da auf der Berliner Großdemonstration vom Donnerstag vergangener Woche zu lesen. Immer wieder wurde vor allem im militanteren Umkreis ein Slogan angestimmt, der — im Zusammenhang dieses Krieges — nichts weiter ist als eine Wiederauflage alter Parolen gegen den US-Imperialismus als Zentrum alles Bösen: „USA — internationale Völkermordzentrale“. Auch die populäre Parole „Kein Blut für Öl“ verkürzt den Konflikt auf einen Wirtschaftsimperialismus der Industrieländer.

Auch eine andere Kritik ist nicht ganz unberechtigt: Die Aggression Saddams gegen Kuwait und vor allem gegen Israel wurde auf den Demonstrationen weniger angeprangert als der Einsatz der alliierten Bombengeschwader. Die Zunahme der Palästinensertücher in den Reihen der traditionell antiisraelischen, antiimperialistischen Linken tat ein übriges, um den Eindruck zu bestärken: Ausgerechnet die deutsche Friedensbewegung ist selbst jetzt, wo in Tel Aviv die Raketen einschlagen, blind gegenüber der existentiellen Bedrohung der Menschen in Israel. Aber es gibt auch andere Stimmen: „Kein Gas mehr gegen die Juden“ hatten SchülerInnen auf ein Transparent geschrieben, das sie an der Berliner Gedächtniskirche aufstellten. Und am Mittwoch versammelten sich Schulklassen vor dem Jüdischen Gemeindehaus in Berlin, um für den Schutz Israels, aber auch gegen den Krieg zu demonstrieren.

Die vorherrschende Stimmung bei den Demonstrationen, Stellungnahmen, Diskussionen aber wird durch das schlichte „Nein zum Krieg“ ausgedrückt. Der Protest gegen den Krieg, gegen die grausamste und unmenschlichste aller Formen der Konfliktaustragung, treibt vor allem die Kinder auf die Straße. Dabei werden beide kriegführenden Parteien gleichermaßen angeprangert. Am Sonnabend beispielsweise haben StundentInnen der Hochschule für Bildende Künste in Berlin symbolisch mit roter Farbe eine „Blutspur“ zwischen der irakischen und der amerikanischen Botschaft gezogen. In autonomen Kreisen wird das handgreiflicher formuliert: „Kampf dem Krieg!“ heißt es da und ist zuweilen auch so gemeint.

In Übereinstimmung mit vielen kritischen Stimmen aus dem Ausland und Israel richten sich die empörten Proteste der Friedensbewegung gegen die deutsche Rüstungsindustrie, die mit ihren Lieferungen und Dienstleistungen den Irak aufgerüstet hat. „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt“, heißt eine der Parolen, die immer wieder zu hören ist. Und die deutsche Regierung wird beschuldigt, dabei untätig zugeschaut zu haben. Martin Kempe

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