Umwelt in Rostock: Schmutz neben Idylle

■ Umweltschutz war nicht unbekannt / Interview mit Gerd Adelmann über Wasser, Luft, Energie

Gerd Adelmann war drei Jahre lang Geschäftsführer der Bremer Umweltberatung — einem Zusammenschluß von acht Umweltverbänden — und arbeitet jetzt in der Erwachsenenbildung. Anfang Dezember 1990 leitete er das Seminar „Umweltprobleme in der Region Rostock“, an dem vor allem Beschäftigte des öffentlichen Dienstes teilnahmen.

taz: Die Berichte über die ökologische Katastrophe in der ehemaligen DDR erwecken oft den Eindruck, als sei die Situation viel kritischer als hier. Ist das so?

Gerd Adelmann: Ich würde sagen „Ja, aber“. Die Umweltverschmutzung in der ehemaligen DDR ist viel auffälliger und dreckiger als hier. Besonders die Luft- und Wasserverschmutzung sind sehr schwerwiegend. Aber es gibt auch einige positive Entwicklungen. Zwar ist — und das ist allgemein in Osteuropa so — die Umwelt in den Ballungsräumen stark zerstört, doch gleichzeitig gibt es sehr große, weitgehend erhaltene Naturgebiete mit einer Artenvielfalt, die hier nicht mehr vorhanden ist. Zum Beispiel leben in Ostdeutschland noch viele Seeadler. Bei uns sind sie nahezu ausgestorben.

In welchen Bereichen ist die ökologische Situation in Ostdeutschland kritischer?

Die DDR hat durch einen Parteitagsbeschluß im Jahre 1982 die Energieversorgung völlig auf Braunkohle umgestellt, um der Abhängigkeit vom Öl zu entgehen. Die Auswirkungen konnten wir jetzt auch in Rostock beoabachten. Wenn Kesselanlagen, die für Öl ausgelegt sind, mit Braunkohle befeuert werden, gelangen natürlich mehr Schadstoffe in die Luft.

Andere kritische Bereiche sind Trinkwasser und Abwasser. Bei uns werden 90 Prozent aller Abwässer geklärt, in der ehemaligen DDR sind es nur 20 bis 30 Prozent. Der Rest fließt ungeklärt in die Flüsse und die Ostsee.

Das Rostocker Trinkwasser wird direkt aus der Warnow genommen, die durch die Landwirtschaft extrem belastet ist. Deshalb muß dem Wasser viel Chlor zugesetzt werden, wodurch hochgiftige und teilweise krebserregende Substanzen entstehen. Aus diesen Gründen stammt seit 1985 das Bremer Trinkwasser nicht mehr aus der Weser.

Und in welchen Bereichen sind die ökologischen Probleme in Ostdeutschland geringer als in Westdeutschland?

In direkter Nachbarschaft zu stark belasteten Gebieten gibt es oft völlig unberührte Naturschutzgebiete. Die Landschaft an der Warnow südlich von Rostock ist total idyllisch. Bei uns sind solche Gegenden durch die touristische Infrastruktur sehr beansprucht.

Ganz eindeutige Vorteile hat das öffentliche Verkehrssystem. Auch beim Abfall stand die DDR früher viel besser da, als wir. Sie produzierte sehr viel weniger Abfall und hatte ein gutes Sammelsystem. Das lag auch daran, daß das Recycling staatlich subventioniert war und die Leute wirklich gutes Geld dafür bekamen.

Werden die Umweltprobleme in der DDR seit der Vereinigung wirksam angegangen oder bleibt alles beim Alten?

Da herrscht große Verunsicherung. Wenn im Augenblick etwas vorankommt, liegt es in erster Linie daran, daß Betriebe stillgelegt werden, die vorher noch die Umwelt verschmutzt haben.

Im Energiebereich wird eine deutliche Verbesserung eintreten: der Anteil der Braunkohle wird zurückgehen und Anlagen zur Luftreinhaltung werden eingebaut. Das kann allerdings wegen der ganzen Übergangsfristen bis 1995 dauern. In Rostock will die Preussen Elektra ein fragwürdiges Steinkohlekraftwerk bauen, das hier politisch nur schwer durchzusetzen wäre.

Wie verhielt es sich in der DDR mit Grenzwerten und Auflagen für die Industrie?

Die Umweltpolitik der DDR kannte eine ganze Reihe von Grenzwerten, die hier gar nicht existieren. Zum Beispiel gab es im Gegensatz zur BRD einen Grenzwert für Formaldehyd. Alle diese Vorteile sind nach der Vereinigung weggefallen. Die Betriebe wurden strikt zu Energie-und Wassereinsparung angehalten. In Rostock mußte vor ein paar Jahren eine Fischfabrik 130.000 Mark Strafe bezahlen, weil sie zuviel Wasser verbraucht hatte. Im Gegensatz dazu konnten die privaten Haushalte Energie und Wasser zu äußerst niedrigen Tarifen nach Herzenslust verschwenden. Fragen: Hannes Koch