Plausch interruptus

■ Fritz Rudolf Fries, Du selten braver Mann! Schmährede auf den Träger des Bremer Literaturpreises

Du ehrengeachtete Jury der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung! Wertes Publikum! Hat man also doch noch einen Literaten gefunden, der sich nachweislich in 30 Berufsjahren nicht einen einzigen Feind gemacht hat! Fritz Rudolf Fries heißt er, geboren 1935 in Bilbao, jetzt wohnhaft in Petershagen bei Berlin. Er ist ein braver Mann, und sein nunmehr mit 15.000 Mark gelobtes Buch „Die Väter im Kino“ kostet uns keine Nerven und auch sonst nicht die Bohne: Unweigerlich werden wir's, von entfernten Bekannten, zum Namenstag kriegen.

Die Geschichte vom tüftlerischen Großväterchen Franz Xaver Stannebein, einem ruhelosen Luftschloß-Gespenst, hat der Sparschreiber Fries erst erzählt (“Das Luft-Schiff“, 1974), dann mit verfilmt (1983), und jetzt also, daß nix wegkommt, hat er auch noch von damals die Dreharbeiten hineingesponnen. Wie es da gleich glitzert in den Erzählsträngen, wenn das schicke Filmische eingewirkt ist, dieses Lurex-Fädchen der Literatur.

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Die weitversippte deutsch-spanische Stannebein-Nachfahrenschaft samt dem Ich-Erzähler, die da, im Reich der verblichenen DDR, zusammenkommt und sich, mit Hilfe von Drehleuten, sozusagen selber verfilmt — da liegen von zahllosen womöglich aufregenden Schicksalsknäueln die Garn-Enden herum. Und was aber tut Fries? Er rafft sie zusammen und verstrickt sie mit vielem Eifer: zu einem warmen Pullover. Denn Fries ist ein Zauberer. Wo er auch hinschaut in der Welt, er sieht nur Familiengeschichte, und die ist, ho, wö gemötlöch! O Du schreibender Seele-Fant!

Zuerst aber versteht man rein gar nichts. Das Buch, großfamiliär in jeder Hinsicht, hat für alle, auch für ganz weit hergeholte Gestalten, eine offene Tür, und von der ersten Seite an geht es zu wie im Taubenschlag. Ein Satzgeflatter, mit drei Dutzend Figuren zugleich vollführt, alle paar Zeilen großer Leseverdruß interruptus: Nach fünfzig Seiten tut man sich noch schwer mit den Namen, hat aber langsam begriffen, daß der Autor eine sogenannte Drehbuchästhetik erstrebt.

Fast wie im richtigen Film flakkert also das Leben im Buche dahin, allerdings eher geschnipselt als geschnitten, und ziemlich ungeschickt. Es fehlen die Bilder, die Szenen, es prägt sich nichts ein, es blendet sich nur eins nach dem andern in Szene. Flora macht dies/Conchita sieht jenes/Alfredo hingegen/Bob fragt Lena/Chico erst recht/und immersoweiter. Man wüßte gern vom ganzen großen Aufwand das große ferne Wofür. So sinnend wandeln sie im Buch herum, des Erzählers Klein- Einfälle, und wissen die Antwort nicht. Weil sie so flott ausstaffiert sind, sieht man ihnen erst recht auf die Filzpantoffeln.

Ich weiß schon, was er wollte, der Fries, der nette Kerl: Es ist dieses moderne Multi-Fiktionale, aber erzählt auf dem behaglichen Plausch-Sofa. Das gefällt Dir, gell, werte Jury? Aber es geht nicht, zum Glück. Jetzt hat der Autor seine kreuzbiedere Familienchronik durch den Filmwolf gedreht, und übrig bleibt ein Riesenhaufen Kleinteile. Was Puzzliges zum Zusammenfummeln und Memorieren an langen Abenden, wo man die Geduld hat. Gewiß kein erheblicher Roman.

Sie loben, meine Damen und Herren, in Fritz Rudolf Fries alles mögliche: einen unserer neuen Fürsorgezöglinge aus der gewesenen DDR, einen begnadeten Schnurrpfeifer vielleicht, und einen Kalendersprücheklopfer sowieso. Einen aufregenden Schriftsteller, Sie werden Ihre Gründe haben, loben Sie nicht. Manfred Dworschak

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Buchtitel

Fritz Rudolf Fries: Die Väter im Kino. Piper '90, 398 S., 42 DM.

Am So., 27.1, liest Fries um 20 Uhr in der Stadtwaage, Langenstraße. Am Montag 12 Uhr, Obere Rathaushalle, ist die Preisvergabe.