Cifco: Zoll ist ganz zufrieden mit sich

■ Nicht Zollfahnder, sondern Journalisten entdeckten Export-Coup / Interview mit dem Vorsteher der Zollfahnder

Die Fernsehberichte über den Export einer Bombenzünderfabrik nach Bagdad haben die Bremer Staatsanwaltschaft alarmiert. Sie ermittelt seit Dienstag gegen die Speditionsfirma „Cifco“. Heißt es doch in den gesetzlichen Vorschriften: Eine „Handlung wird zu einer Straftat, wenn sie geeignet ist, das friedliche Zusammenleben oder die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland erheblich zu gefährden.“ Generalstaatsanwalt Dr. Hans Janknecht erklärte gegenüber der taz, die rechtliche Situation sei „schwierig“. Denn das Außenwirtschaftsgesetz greife nur, wenn es sich bei den Rüstungsgütern um „Einfuhren“, aber nicht, wenn es sich um „Durchfuhren“ gehandelt habe. Die Frage: Einfuhr oder Durchfuhr? werde derzeit untersucht. Zur Anwendung komme auch das „Kriegswaffenkontrollgesetz“.

Vor der Fernsehsendung war nur die Zollfahndung mit der Akte „Cifco“ befaßt gewesen. Und nicht Zollfahnder, sondern zwei Journalisten hatten aufgedeckt, daß über das „Cifco“-Büro in Walle 1989/90 eine schlüsselfertige Bombenzünderfabrik von Bremen nach Bagdad geliefert worden war. Die taz befragte Klaus Thoms, den Vorsteher der Bremer Zollfahnder.

taz: In dem WDR-Film sagt ein chilenischer Mitarbeiter des Rüstungskonzerns „Cardeon“, seine Firma habe Bremen als Ausfuhrhafen gewählt, weil es ein „hervorragender Platz“ sei, um Rüstungsgüter problemlos außer Landes zu schaffen. Können Sie sich erklären, was er damit meinte?

Klaus Thoms: Ich weiß nicht, warum er Bremen als besonders geeignet herausgestellt hat. Bremen unterscheidet sich nicht von anderen Häfen wie Hamburg oder Rotterdam. Insbesonders genießt Bremen nicht den Ruf, zöllnerisch ein schlaffer Hafen zu sein.

Nach unserer Kenntnis ist der Bremer Hafen gewählt worden, weil der ehemalige „Cifco“-Geschäftsführer hier in der Nähe seinen Wohnsitz hatte.

Der Bremer Zoll ist bereits Ende 1989 von den beiden Journalisten über ihren Verdacht informiert worden. Tätig geworden ist der Zoll jedoch erst im Mai 1990. Warum so spät?

„Es ist uns nicht gelungen, die Container zu finden“

Also erstmal sind wir 1989 tätig geworden. Wir haben Hinweise bekommen, daß aus der Schweiz Teile für eine Munitionsfabrik über Bremen in den Irak verschifft werden. Wir haben diesen Hinweis überprüft. Aber unserer Container-Überwachungsgruppe ist es nicht gelungen, entsprechende Container ausfindig zu machen. Nach unseren Feststellungen sind seit dem Eingang des Hinweises am 22. Dezember 1989 keine Anlieferungen aus der Schweiz mehr erfolgt. Auch ist die Firma „Cifco“ in dem Hinweis damals nicht genannt worden.

Ihnen war aber aus dem Hinweis bekannt, daß die Ware sich in der Stauerei Tiemann befand. Die Journalisten jedenfalls haben die Container ohne größere Schwierigkeiten gefunden und auch fotografiert (siehe Foto vom Dez. 1989). Auf den Containern stand übrigens auch der Name „Cifco“.

Nach dem vorher Gesagten dürfte den Journalisten das kaum möglich gewesen sein.

Die Journalisten haben immerhin ein Jahr lang mit erheblichen finanziellen Aufwendungen recherchiert. Haben dolle Arbeit geleistet, jetzt wird der Fehler gemacht, das heutige Ergebnis der Recherchen auf den damaligen Zeitpunkt zu übertragen.

Und was nicht im Film vorkam: Im März 90 sind bei einer Routinekontrolle sechs „Cifco“- Container aus Chile für den Irak überprüft worden. Doch sie enthielten nur Büromöbel und Seilwinden. Die Zollfahndung hat dann im Mai aufgrund eines anonymen Hinweises und aufgrund eigener Recherchen „Matrix & Churchill“-Container in den Freihäfen hier festgestellt und unverzüglich den englischen Fahndungsdienst informiert. Das sind Sendungen, die in den Irak gegangen sind und von der Firma „Cifco“ spediert worden sind. Das sind immerhin die Kern- und Herzstücke der Bombenzünderfabrik gewesen.

“Container schwammen schon“

Die waren doch schon auf hoher See, bevor Sie eingeschritten sind.

Weil der Hinweis bei uns erst auflief, als die Container schon schwammen. Wir haben noch mit Macht versucht, den englischen Fahndungsdienst zu bewegen, die schwimmende Ware noch festzuhalten, und das ist nicht mehr gelungen. In England sind drei Geschäftsführer in Haft genommen worden. Aber im Mai hat sich noch keinerlei Hinweis ergeben, daß „Cifcos“ Rolle über die eines Spediteurs hinausging. Wir wußten noch nicht, daß „Cifco“ eine Gründung der chilenischen Firma „Cardoen“ gewesen ist und daß die Kenntnislage der Geschäftsführer möglicherweise eine andere war. Das haben wir erst im November erfahren, als uns die Journalisten das Ergebnis ihrer Recherchen mitgeteilt haben.

„Keinerlei Vorwürfe“

Sehen Sie, rückblickend betrachtet, Versäumnisse des Bremer Zolls?

Die Zollfahndung hat sich bei selbstkritischer Betrachtung keinerlei Vorwürfe zu machen. Keine Zollfahndung der Welt ist in der Lage Zuwiderhandlungen, die mit entsprechender krimineller Energie begangen werden, zu verhindern. Es sei denn, es gelingt ihnen, durch irgendwelche Mutierungen den Menschen anders zu konstruieren, daß er keine Straftaten begeht.

“Ich wünsche mir als Fahndungsamt den Etat des WDR“

Was passiert ist, ist ohne Zweifel moralisch verwerflich, was aber nicht automatisch bedeutet, daß das auch strafrechtlich qualifizierbar ist. Und die Journalisten konnten ja auch erhebliche Geldmittel aufwenden. Leider Gottes fehlt es den Ermittlungsbehörden an derartigen Möglichkeiten. Ich wünsche mir als Fahndungsamt den Etat des WDR.

Wieviele Mitarbeiter haben Sie?

Wir sind 68 Leute zur Zeit, inklusive Bremerhaven. Aber ich wage einfach mal die Behauptung, wenn ich zwanzig, dreißig oder hundert Leute mehr gehabt hätte, würde ich nicht dafür garantieren, daß die Durchfuhr der Geschichten für den Irak verhindert worden wäre.

Wünschen Sie sich schärfere Gesetze?

Das gesetzliche Instrumentarium ist eigentlich ausreichend. Die Zollstellen haben die Möglichkeit der Kontrolle der Ausfuhrsendungen durch eine Beschau der Waren. Auch die Zollfahndung hat ausreichend Grundlage — das Strafprozeßrecht, das Ordnungswidrigkeitenrecht — zu agieren, wenn entsprechende Verdachtsmomente vorhanden sind.

Haben Sie in ihrer 25jährigen Praxis als Zollfahnder schon einmal einen Rüstungscoup aufgedeckt in dem Umfang wie jetzt die Journalisten?

Nein. Coups dieser Dimension habe ich noch nie erlebt.

Interview: Barbara Debus