Ohne den Stempel »Osten«

■ Drei Ausstellungen polnischer Kunst und Kultur

Innerhalb von 24 Stunden sind in Kreuzberg drei polnische Präsentationen eröffnet worden: die »Positionen-Polen«-Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien, die mit ihr korrespondierende des Krakauers Jacek Sroka »Berliner Bilder« im Galerie-Atelier Asperger und eine Dokumentation polnischer Kultur in Kreuzberg unter dem Titel »Zuzug nicht gestattet« in

der Franz-Mehring-Galerie

am Mehringplatz. Alle

drei besuchte

Piotr Olszowka

Zwei Kilometer trennten die Gäste zweier fast synchron eröffneter Expositionen. Die einen trafen sich, um die cool inszenierte und perfekte Ausstellung der Crème de la crème polnischer Malerei im Bethanien einzuweihen, die anderen, um eine Dokumentation der kulturellen Aktivitäten von Polen in Kreuzberg der Öffentlichkeit zu übergeben.

Diese Dokumentation in der Franz-Mehring-Galerie zeigt Fotos von Theaterproduktionen, die zum Teil über Berlin hinaus Beachtung fanden wie Die Zimtläden des Kantor-Schülers Andrzej Woron nach einer Erzählung des jüdischen Autors Bruno Schulz. Zu sehen sind Dokumente der Arbeit von Polskie Radio innerhalb von Radio 100, Malerei, Plastiken und Plakate. Die Ausstellung will eine multimediale Schau der kulturellen Präsenz von Polen in Kreuzberg sein. Und so kann man sich hier außer Bildern, Plastiken und Fotodokumentationen Videos ansehen und Audiokassetten anhören, die den Besuchern relevante Ereignisse und Produktionen nahebringen sollen. Einen wichtigen Bestandteil dieser Dokumentation bildet der Katalog, der von Initiativen, Gruppen und Aktivitäten berichtet, die wie beispielsweise der Polnische Sozialrat eine wichtige Rolle für die Polen auch über die Grenzen von Kreuzberg hinaus spielen. Die Kreuzberger Lokalpatrioten polnischer Herkunft lieben ihren gelobten Bezirk trotz aller Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten, die sie erfahren. Was das Schicksal der hier präsentierten Kunstwerke angeht, haben den Wettbewerb der Sinne die hervorragenden Plakate von Lex Drewinski am ehesten überstanden.

Die Ausstellung Positionen Polen wird in zwei Bethanien-Studios gezeigt: fünf Künstler im Studio I, Edward Dwurnik im Studio II. Es ist eine richtige Entscheidung, zwischen diesen beiden Teilausstellungen eine klare Grenze zu ziehen: Dwurnik kann mit den übrigen Teilnehmern dieser Präsentation nicht verglichen werden. Der wichtigste Grund dafür ist seine Rolle in den achtziger Jahren, die jetzt nicht fortgesetzt werden kann und in damaliger Gestalt auch nicht mehr zu akzeptieren ist. Deswegen gehört Dwurnik selbst mit seinen neuesten Bildern zu einer anderen, vergangenen Epoche, für die man sich in Polen heute weder politisch noch künstlerisch zu interessieren scheint. Das ist auch die Rechnung, die der Künstler für sein außerordentliches Engagement und seine extrem expressive Ausdrucksweise bezahlen muß, das wird nach dem Zusammenbruch des Totalitarismus langweilig und überzeugt nicht mehr.

Die Qualität der Arbeiten der im Westen ausstellenden polnischen Künstler wird in der Presse häufig mit dem relativierenden Hinweis bewertet, daß sie für die osteuropäische Kunst gar nicht schlecht sei. Natürlich ist teilweise das am Polnischen dieser Kunst orientierte Muster der Ausstellungen daran schuld, daß eine Art Ghettoisierung stattfindet. Die guten Absichten der Veranstalter scheitern meistens an dem Widerspruch, daß einerseits diesen Künstlern so bei der Emanzipation innerhalb der Berliner Szene geholfen werden soll, ihre Arbeiten aber andererseits zwangsläufig wegen dieses »Osten«-Stempels mit derselben Elle gemessen werden wie die Ceausescu-Porträts oder DDR-Straßenplastiken. So wohl auch bei der Ausstellung Positionen Polen. Dabei haben sich deren Initiatoren bemüht, einige der derzeit besten und unabhängigsten Maler Polens zusammenzustellen. Jan Tarasin ist mit einer sehr repräsentativen Bildergruppe und einem aus Anlaß der Ausstellung vom Künstler selbst gedruckten Siebdruckheft von hervorragender künstlerischer, intellektueller und technischer Qualität zu sehen. Er zeigt lineare Abläufe auf einer zweidimensionalen Fläche. Eigentlich das Gegenteil dessen, was die Malerei normalerweise tut. Was dieser Übergang vom Linearen zur Fläche bedeutet, ist der CNN-Generation seit McLuhan klar: Das zum Bildschirm gewordene Bild vertreibt die linearen Medien wie Druck und Radio. Tomasz Ciecierski ist mit Bildern der Gleichzeitigkeit aus mehreren kleinen Großaufnahmen und einem großen Detailbild vertreten, die zum Nachdenken nicht nur über die chronologischen Relationen, sondern auch über die Gewichtung zwischen dem Individuellen und dem Allgemeinen bewegen.

Leon Tarasewicz ist für mich ein Hoffnungsträger der polnischen Kunst nach dem Tod von Tadeusz Kantor. Eine Erscheinung, die ihresgleichen im letzten Jahrzehnt sucht. Er ist mit drei Großformaten vertreten und hat hier zu einer Ausdrucksweise gefunden, die das Suchen nach dem Wesentlichen in der Kunst mit einer Bescheidenheit der Mittel verbindet, die einen Meister kennzeichnet. Gegenüber der durch momentane Verpflichtungen und Anspielungen sehr verbrauchten Malerei von Dwurnik ist das Expressive bei Jacek Sroka erstaunlich frisch, und auch seine Berliner Bilder, die bei Asperger zu sehen sind, überzeugen vom großen Talent und einem Einfühlungsvermögen, mit dem er sich innerhalb von drei Monaten der Berliner Seele genähert hat. Die Exposition im Studio I ergänzen intelligente Plastiken von Marek Chlanda, die in diesem Raum und in dieser Gesellschaft sehr gut mitspielen.

Schade nur, daß es in den beiden Katalogen eine Fülle von Fehlern gibt, wobei jene im kleinen Dokumentationsheft der polnischen Kultur in Kreuzberg eher als Schönheitsfehler aus Unerfahrenheit, die im toll gedruckten Katalog der Positionen als Pannen und Entgleisungen eingestuft werden müssen. Zum Unsinn wird ein Satz, der das Kürzel SdRP anstatt als »Sozialdemokratie der Republik Polen« als »Sozialistische demokratische Republik Polen« dechiffriert, und das sowohl im deutschen wie auch im englischen Text; man sollte keinen »Maurice-Ponty« aus Maurice Merleau-Ponty machen. Vor allem aber selbst die gewagtesten Interpretationen der Dwurnik-Malerei dürfen beim Leser nicht den Eindruck wecken, daß diese Bilder als Kommentare zur derzeitigen Situation in Polen verstanden werden sollen.

Positionen Polen. Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz, Berlin 36. Bis zum 17.2.

Zuzug nicht gestattet. Franz-Mehring-Galerie, Mehringplatz 7, Berlin 61. Bis zum 22.2.

Jacek Sroka: Berliner Bilder. Galerie-Atelier Asperger, Pfuelstraße 5, Berlin 36.