Deutsche sind besonders provinziell

„Multikulturelle Weiterbildung“ soll sie fit machen für's internationale Parkett/ Die auslandsmüden Deutschen bevorzugen Trockenübungen/ Tugenden wie Ordnung und Pünktlichkeit nur selten gefragt  ■ Von Thomas Gesterkamp

Ein neues Schlagwort kursiert in den Chefetagen großer Konzerne. Personalchefs und Unternehmensberater begeistern sich für den sogenannten multikulturellen Manager. Gemeint sind damit nicht etwa Firmenbosse, die sich dem ehrbaren Ziel verschrieben haben, rassistische Vorurteile abzubauen. Der multikulturelle Manager ist nicht die kapitalistische Version eines Daniel Cohn-Bendit. Vielmehr handelt es sich um den Idealtypus des künftigen Geschäftsmannes — an Frauen wird dabei in den Chefetagen seltener gedacht. Bei unternehmerischen Entscheidungen, so das „Qualifikationsprofil“, fühlt er sich in die Mentalität und Eigenart der Menschen ein, mit denen er Geschäfte machen will.

Eine Fähigkeit, die angesichts der internationalen Verflechtungen auf dem Weltmarkt immer wichtiger wird, nur: Es gibt viel zu wenig „global players“, wie die Personalberater sie gerne nennen: Spielertypen, die fremden Ländern und Kulturen offen begegnen und das so erworbene Wissen zum Wohle ihres Arbeitgebers umsetzen. Ein solches sozusagen weltbürgerliches Arbeitsverständnis haben bisher bestenfalls einzelne Spitzenmanager großer Firmen verinnerlicht. Mittelständische Unternehmen, selbst wenn sie in Teilbereichen auch international tätig sind, schauen meist immer noch durch die nationale Brille.

Gerade die Deutschen seien „einfach provinziell“, heißt es wehklagend auf Tagungen und Symposien über die „Schlüsselqualifikationen der Zukunft“. Den Führungskräften des Exportweltmeisters gelingt es zwar, in mäßigem Schulenglisch am Central Park einen Hamburger zu bestellen, doch vertiefte Kenntnisse über die US-amerikanische Unternehmenskultur können sie nur selten vorweisen. Nicht einmal studieren wollen deutsche Techniker und Geschäftsleute im Ausland, lamentieren die Bildungsexperten der Konzerne: Nur drei Prozent der HochschülerInnen büffeln jenseits der Staatsgrenze. Und auch später, wenn sie in einem Unternehmen tätig sind, lassen sie sich nur ungern zu einem internationalen Einsatz überreden. „Ich kenne Fälle, in denen sogar die Frage der Mitnahme des Karnickels oder Meerschweinchens enorme Probleme aufwarf“, so ein Personalchef von Daimler-Benz.

Ganz zu schweigen von den neuen „familiären Gründen“: Immer mehr Ehefrauen sind selbst berufstätig und nicht mehr bereit, zugunsten der weltumspannenden Karriere ihres Gatten zu Hause alles stehen- und liegenzulassen und an seiner Seite zu repräsentieren. Wenn deshalb die berufliche Mobilität der Geschäftsmänner zu wünschen übrig läßt, müssen Kurse daheim notwendige Kenntnisse über andersartige Führungsstile oder ungewohnte Verhandlungstaktiken vermitteln. Diese Trockenübung nennt sich „multikulturelle Weiterbildung“.

„Wenn Sie als junge deutsche Führungskraft nach Fernost wollen“, sagt Hanns-Georg Löber von den Carl-Duisberg-Centren (CDC) in Köln, „werden Sie sich schwertun, akzeptiert zu werden.“ In den CDC-Kursen lernen dynamische JungmanagerInnen, daß koreanische Kollegen sie für Grünschnäbel halten, weil sie erst 30 Jahre alt sind. Doch nicht nur der Ferne Osten, selbst die nächsten Nachbarn scheinen unberechenbar: Da halten Franzosen geschäftliche Besprechungen mit Deutschen für langweilig, weil alles schon im Vorfeld abgeklärt scheint, so daß kein Raum bleibt für spielerische Improvisation. Da erscheint der spanische Geschäftsfreund mit zweistündiger Verspätung zur Verabredung — und entschuldigt sich nicht einmal. Um „global players“ zu werden, müssen sich deutsche UnternehmerInnen also trennen von Tugenden wie Ordnungen und Pünktlichkeit — all das scheint im Ausland weniger gefragt als zuhause. Doch die Zahl deutscher Geschäftsleute, die sich auf ausländischem Parkett souverän bewegen, ist relativ gering.

So ist „Multi-Kulti“ für Manager ein Trend, der aus der Not geboren ist: Der häßliche Deutsche, der an spanischen Stränden ganz selbstverständlich ein Schnitzel ordert, soll nun romanische oder gar fernöstliche Lebensart erlernen — zumindest dann, wenn er oder sie größere Geschäfte machen will als bei einem Straßenhändler die billige Kopie einer Schweizer Uhr zu erstehen.