„Grüne Woche“ zwischen Gatt und Golfkrieg

■ Berliner Landwirtschaftsmesse blickt nur in den allernächsten Osten, nicht aber in den Nahen Osten/ Bundesminister Kiechle: „Israel hat sich schon immer zu wehren gewußt“/ Mehrere tausend Forstarbeiter protestierten bei der Messeeröffnung

Berlin (taz) — Bei der Eröffnungsveranstaltung zur traditionellen Grünen Woche in Berlin vergaß kein Redner, den Golfkrieg zu erwähnen. Der Veranstalter der Ernährungs- und Landwirtschaftsmesse speckte gar das Rahmenprogramm in der Deutschlandhalle ab — das Opening am vergangenen Donnerstag abend mit Hengsten und Erntewagen sowie Kurzfilmen über die neuen fünf Bundesländer wurde gekürzt.

Aufgrund des Krieges im Nahen Osten sagten das Sultanat Oman und Jordanien die Teilnahme an der Messe ab. Auch Äthiopien kam nicht. Davon abgesehen läuft das Geschäft auf den 83.500 Quadratmetern mit Ständen aus 57 Ländern wie jedes Jahr.

Und wenn Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle auch erklärte, daß er die „mögliche Beteiligung deutscher Waffen“ bei Angriffen auf Israel bedauern würde, fand der CSUler am Stand des jüdischen Staates nicht einmal tröstende Worte. Statt dessen ließ er sich lieber gefüllte Feigen schmecken. „Das macht mir nichts“, sagte der einsfünfundsechzig große Mann der taz. Es sei kein Widerspruch, trotz der Bedrohung Appetit auf Israels Produkte zu haben. Israel sei ein tapferes Land und die Israelis tapfere Leute. „Die haben sich schon immer zu wehren gewußt“, behauptete Kiechle trocken. Eberhard Diepgen (CDU), frisch vereidigter Regierender Bürgermeister von Berlin, ließ gestern früh den Joghurt zu Hause stehen, um beim Messerundgang besser zulangen zu können.

Auch von anderen Problemen ist in den 25 Hallen unterm Berliner Funkturm wenig zu spüren. Zwar erwähnten Kiechle und Constantin Freiherr Heeremann von Zuydtwyck, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (760.000 Mitglieder), die Gatt-Verhandlungen, die in Brüssel unterbrochen wurden. Beide protestierten auch gegen das Ansinnen der Amerikaner, die Subventionen für landwirtschaftliche Betriebe ersatzlos zu streichen. Sie forderten, Europas Agrarproduzenten müßten jetzt auf Qualität setzen, statt auf Quantität.

Doch als es auf der Messe um Qualität ging, mußten gestern die Aussteller wie Piet Oehmichen von der „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen“ der Prominenz enttäuscht hinterherlaufen — Kiechle interessierten die bedrohten Tiere nicht. „Reißerisch aufgemachte Meldungen über vermeintliche Schadstoffe in Lebensmitteln haben vielleicht damit zu tun, daß reine Wissenschaftsgläubigkeit den echten Glauben an Gott verdrängt hat“, bemerkte Kiechle in seiner Eröffnungsrede.

Im Mittelpunkt der 56. Internationalen Grünen Woche stehen die Entwicklungen in den mittel- und osteuropäischen Ländern. Zur dortigen Agrarindustrie sollen verstärkt Handelskontakte geknüpft werden. Erstmals sprach auf der Eröffnungsveranstaltung ein Minister der UdSSR. Auch die fünf neuen Bundesländer finden auf der zehntägigen Messe besondere Beachtung. Die fünf präsentieren ihre Schnäpse und Würstchen in der Mitte der Halle 20 („Essen aus Deutschland — ein grenzenloses Erlebnis“). Die alten Bundesländer wurden an den Rand gedrückt.

Mehrere tausend Forst- und Waldarbeiter machten am Donnerstag abend vor der Deutschlandhalle darauf aufmerksam, daß es in den neuen Bundesländern auch „Erlebnisse“ anderer Art gebe. Zwei Drittel der über 10.000 Arbeiter aus Brandenburg sind in die Warteschleife abgeschoben worden und bekommen nur noch 600 Mark Lohn. Dirk Wildt