Letzte Runde im Hamburger Kesselprozeß

Hamburg (taz) — Das gerichtliche Nachspiel um den legendären „Hamburger Kessel“ ist gestern in die vermeintlich letzte Runde gegangen: Vor einer Hamburger Strafkammer müssen sich vier Polizeiführer wegen Nötigung und Freiheitsberaubung verantworten. Sie leiteten im Juni 1986 jenen Polizeieinsatz, bei dem rund 800 DemonstrantInnen auf dem Heiligengeistfeld stundenlang eingekesselt wurden. Zum Teil wurden sie über 14 Stunden lang festgehalten.

Die nicht angemeldete Kundgebung war als Reaktion auf die beträchtlichen Behinderungen seitens der Polizei geplant, denen Tausende von DemonstrantInnen am Vortag ausgesetzt gewesen waren: Die Zufahrt zum Versammlungsort am AKW Brokdorf war den ProtestiererInnen am 7.Juni weiträumig verwehrt worden. Der Polizeikessel wurde später vor dem Verwaltungsgericht unter dem Hinweis auf das Versammlungsrecht für rechtswidrig erklärt.

Der Prozeß begann gestern mit einem Antrag der durch 24 Anwälte vertretenen 56 Nebenkläger auf Aufhebung der Sicherheitsmaßnahmen, dem überraschend stattgegeben wurde. Zuvor waren Nebenkläger, Journalisten und Zuschauer nur durch einen eigens zu diesem Anlaß aufgestellten Container und nach gründlicher Durchsuchung in den Saal gelangt. Die Eingekesselten von einst protestierten gegen die Kontinuität, mit der analog zum Juni 1986 erneut versucht werde, die damals Eingeschlossenen als „gewaltbereites Potential zu diskriminieren“. Im Vorfeld des Prozesses hatten die Nebenkläger vor der Presse Erwartungen gedämpft, „daß hier der Gerechtigkeit auf die Beine geholfen“ werde. Der Verfahrensverlauf werde einmal mehr „den Umgang mit der linken Opposition verdeutlichen“.

Der erste Polizeidirektor, der gestern zu Wort kam, beschrieb die ausdrückliche Billigung der Entscheidung für die Einkesselung durch die Innenbehörde. Die vier Beamten hatten zuvor abgelehnt, daß das Verfahrens gegen eine Geldbuße eingestellt wurde.

Der Mammutprozeß, für den die Hamburger Justiz monatelang nach geeigneten Räumlichkeiten suchte, ist bis Anfang April terminiert. Lisa Schönemann

Foto: Gerald Sagorski/Diagonal