Deutscher Solidaritätsbesuch in Israel
: Israel will nicht mit einem Scheck abgespeist werden

■ Als Geste der Solidarität waren sie gedacht, der Besuch der deutschen Delegation in Israel und die zugesagten 250 Millionen Mark. Doch Genscher stieß überall nur auf Bitterkeit und Vorwürfe.

Israels Außenminister David Levy hat bei einer internationalen Pressekonferenz in Jerusalem am Donnerstag abend die deutsche Politik gegenüber dem Irak kritisiert und Deutschland dafür verantwortlich gemacht, daß Israel nun mit chemischen und nuklearen Waffen bedroht sei, mit denen Saddam Hussein die Familien und Nachkommen derer verbrennen wolle, die schon in Hitlers Gaskammern umgekommen sind.

Genscher hat bei seinem 24stündigen Besuch, bei dem er auch mit Ministerpräsident Schamir und Israels Staatspräsident Herzog sprach, die Bildung eines gemeinsamen deutsch- israelischen Wirtschaftsausschusses vereinbart. Aber vor allem reagierte der deutsche Außenminister positiv auf den Vorschlag, zum Schutz Israels mehrere Batterien des „Patriot“- Raketenabwehrsystems aus Beständen der Bundeswehr nach Israel zu liefern. Genscher habe zugesagt, die israelische Bitte dem Bundeskanzler vorzutragen. Außenminister Levy bestritt aber israelische Pressemeldungen, wonach die Raketenbatterien samt deutschem Personal nach Israel geliefert werden sollen.

Auf der Pressekonferenz mit Genscher erinnerte Levy daran, daß das deutsche Volk und seine Regierung eine historische und moralische Verantwortung für das Überleben des jüdischen Staates trage. Aber Israelis würden — so versprach Levy — nie mehr Opfer der Husseins dieser Welt sein, weil Israel stark, gerüstet und entschlossen sei. Er beklagte sich bitter darüber, daß Israel bisher in Europa (und anderswo auch) immer nur angeklagt wurde, und daß die Bedrohung Israels nicht schon früher erkannt worden sei. Heute erst stehe die ganze Welt gemeinsam mit Israel gegen Saddam Hussein und verstehe, wie sehr Israel immer bedroht war — Israel, das die einzige Demokratie in dieser Region sei.

Genscher antwortete Levy, daß er und seine Delegation gekommen seien, um Israel zu versichern, daß es sich auf Deutschland verlassen könne und daß sich die BRD mit der Existenz Israels identifiziere. In dieser gegenwärtigen Gefahr und Bedrohung durch Saddam Hussein stehe Deutschland an Israels Seite. Deutschland werde, so Genscher, die Beziehungen mit Israel weiterentwickeln. Die deutsche Regierung werde alles tun, um Personen und Firmen vor Gericht zu stellen, die illegale Lieferungen oder Arbeiten für den Irak durchgeführt haben.

Israels Außenminister Levy ergriff noch einmal das Wort, um zu betonen, daß die Verhandlungen zwischen ihm und Genscher nicht nur Geldfragen beträfen: Es gehe Israel nicht darum, mit Schecks abgespeist zu werden.

Auf meine Frage, was die Einstellung Genschers zur Antikriegsbewegung in der BRD sei, antwortete der Minister, daß es in Anbetracht der deutschen Geschichte nur natürlich sei, daß gegen den Krieg demonstriert werde. Es wäre beunruhigend, wenn dies nicht so wäre. Aber den Kriegszustand habe Saddam Hussein am 2.August herbeigeführt — nicht die USA und nicht Israel. Die Demonstranten müßten spezifisch sein, gegen wen sie demonstrieren.

Vor Genschers Reise nach Israel hatte Bundeskanzler Kohl Israel einen Hilfsbetrag von 165 Millionen Dollar zugesagt. Genscher soll hier versprochen haben, die europäische Gemeinschaft für einen weiteren Betrag von 150 Millionen Dollar als Geschenk an Israel zu gewinnen.

Der einflußreiche Likud-Abgeordnete Uzi Landau forderte, die israelische Regierung solle die BRD dafür verantwortlich machen, daß Israel heute nicht zehn Millionen, sondern nur vier Millionen jüdische Einwohner habe. „Anstatt daß ein geeintes Deutschland die Verantwortung für den Holocaust übernimmt, hat es Saddam Hussein geholfen, im Mittleren Osten das zu vollenden, was Nazideutschland in Europa vor 50 Jahren begonnen hat.“

Kritischere als die offiziellen Töne auch von Nobelpreisträger Eli Wiesel, der jetzt auch wieder in Israel angekommen ist: Wiesel findet Genschers Besuch hier „sonderbar“. „Da kommt hier der deutsche Außenminister (in all dem Trubel) mit Geld nach Israel. Was Genscher gleich bei Ankunft hätte sagen müssen, wäre: Ich bitte im Namen des deutschen Volkes um Vergebung, daß Deutschland an Irak Gas verkauft hat.“

In der israelischen Presse wird berichtet, daß ein hoher Beamter aus Genschers Gefolge nach der Pressekonferenz in Jerusalem gesagt haben soll: „Es ist nicht leicht für Genscher hier. Bereits zum zweitenmal in einer Generation muß ein deutscher Politiker aufstehen und sagen: Ich habe es nicht gewußt.“

Der SPD-Vorsitzende Vogel erklärte gegenüber Mitgliedern der israelischen Arbeiterpartei, daß er als Deutscher angesichts der Gefahr, in die deutsche Firmen Juden gebracht haben, „beschämt und verlegen“ sei, daß aus Deutschland Hilfe für das irakische Militär geleistet wurde. Arbeiterparteiführer Schimon Peres, Jizhak Rabin und Micha Harisch brachten ihr „Erstaunen und ihre Besorgnis“ darüber zum Ausruck, daß einige europäische Staaten — incl. Deutschland — nicht genügend dazu tun, um die von den USA geführte Koalition zu unterstützen. Die Arbeiterparteiführer hier griffen sehr scharf die Friedensbewegungen, vor allem die in Deutschland an, weil sie gegen die internationale Koalition gegen den Irak demonstrieren.

In einem Leitartikel des 'Ha'aretz‘ hieß es gestern: „Die von den Deutschen an Irak gelieferten Waffen und Munition sind jetzt nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen den langjährigen amerikanischen Patron der Deutschen gerichtet und gegen die Alliierten Amerikas. Israel kann die Bedeutung der politishen Einstellung des deutschen Establishments in der Krise nicht ignorieren. Sie war extremer als die von großen Teilen der eigenen (deutschen) öffentlichen Meinung. Trotz der verspäteten Revisionsversuche des Kanzlers Kohl in den letzten Tagen stellt diese deutsche Einstellung eine Stütze für Saddam Hussein in der Konfrontation mit Amerika und so auch mit Israel dar.“ 'Ha'aretz‘ beschuldigt auch die EG-Politik in diesem Zusammenhang und behauptet, Genscher stehe hinter dieser Politik, mit der Israel stets Schwierigkeiten hatte. Amos Wollin, Tel Aviv