Türkei greift Kurden an

Am Freitag begann die türkische Armee mit verstärkten Angriffen auf die kurdische Bevölkerung im eigenen Land/ Schüsse auf Demonstranten  ■ Von Ömer Erzeren

In den kurdischen Städten Batman, Tatvan und Bingöl, rund 100 km von der irakischen Grenze entfernt, kam es am Freitag zu spontanen Demonstrantionen gegen die Beteiligung der Türkei am Golfkrieg und gegen die Kurdenpolitik des Staates. Polizei und Sondereinheiten der Armee schossen in die Menge. Dutzende Menschen wurden durch Kugeln verletzt. Mehrere Demonstraten schweben in Lebensgefahr.

Außerdem erhärteten sich gestern Meldungen, nach denen die türkische Luftwaffe im unmittelbaren Grenzgebiet vermutete Stellungen der kurdische Guerilla PKK bombardierte. Ein Augenzeuge berichtete gegenüber der taz, daß auf die kudischen Dörfer Zawite, Tuxube und Heser, die innerhalb der türkischen Grenzen liegen, Bomben fielen.

Nach den Mittagsgebeten am Freitag kam es aus Protest gegen die staatliche Politik in den kurdischen Städten Batman und Tatvan zu Massenprotesten. In Tatvan zogen rund 15.000 Menschen die Hauptstraße entlang. „Nieder mit Özal“, „Nein zum Krieg“, „Freiheit für Kurdistan“, „Es lebe das kurdische Botan“, skandierte die Menge. Panzer und Wasserwerfer fuhren auf. Die Polizei und die berüchtigten Antiterroreinheiten der Armee schossen auf die Demonstranten. Augenzeugen berichten von einem „Schlachtfeld“. Mit Messern gingen die Demonstranten gegen Wasserwerfer vor. Jugendliche warfen Schneebälle auf das Militär. Die Kleinhändler und Ladenbesitzer unterstützen den Protest der Bevölkerung. Alle Läden blieben geschlossen; Post- und Gerichtsgebäude wurden zerstört. Batman wurde militärisch gesperrt. Sondereinheiten machten Jagd auf „Verdächtige“. Nur zwei Abgeordneten gelang es nach den Ereignissen Tatvan zu betreten.

Auch im kurdischen Batman versammelten sich nach dem Freitagsgebet in der zentralen Moschee rund 10.000 Menschen. „Nieder mit den USA“, „Nieder mit Israel“, „Kein Blutvergießen an Moslems“, „Allahüekber Allah ist groß“ wurde gerufen. In Batman, Aufmarschgebiet der türkischen Armee in den vergangenen Tagen — eine der größten Erdölraffinerien der Türkei ist in der Stadt —, verfügen fundamentalistische Kurden über großen Einfluß. Doch ein Teil der Demonstranten rief auch Parolen, die die linke Arbeiterpartei Kurdistans, PKK unterstützen: „Freiheit für Kurdistan“, „Es lebe die PKK“. Auch in Batman eröffneten Armee und Polizei das Feuer auf die Demonstranten. Der 57-jährige Abdullah Okuyucu liegt nach einem Kopfschuß im Krankenhaus im Koma. Einwohner der Stadt berichten, daß viele, die durch Polizei und Armeekugeln getroffen wurden, sich nicht trauen ins Krankenhaus zu gehen. Hunderte sind festgenommen worden.