50.000 gegen, 3.000 für Golfkrieg

■ Golfkrieg brachte wieder Zehntausende Berliner auf die Straße/ Protest ging nicht immer in die gleiche Richtung/ Polizei schützte Kriegsgegner

Berlin. Der Krieg am Golf polarisiert Berlin. Am Sonnabend demonstrierten um die 50.000 Menschen aller Altersgruppen, nachdem sie sternförmig aus mehreren Richtungen in die Berliner Mitte eingezogen waren, auf dem Alexanderplatz gegen den Krieg. Am Sonntag waren es auf dem Ku'damm rund 3.000 Mittelständler, die für einen »gerechten Frieden am Golf« meist amerikanische Fahnen schwenkten. Auch viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde unterstützten die Demonstration mit israelischen Fahnen und Sprechchören wie »Hände weg von Israel«.

Während die erste von Friedensgruppen, SPD, PDS und der Gewerkschaft HBV organisierte Demo friedlich verlief, kam es nach der Solidaritätsdemo für die »alliierten Freunde« zu unschönen Szenen. Etwa 30 GegendemonstrantInnen mit ironischen Transparenten (»Gegen den Dolchstoß an der Heimatfront — Friedensbewegung verbieten«) wurde mit Sprechchören »Linke raus!« in die Nürnberger Straße abgedrängt. Die Polizei stellte sich zwischen die PazifistInnen und die aufgebrachten anständigen Berliner, die die GegendemonstrantInnen statt »nach drüben« in den Irak wünschten. Einem sonnengebräunten Mann wurde Prügel angedroht, weil er »wie ein Araber« aussehe. AFN, der Sender der US- Streitkräfte, hatte unter dem Titel »Desert Storm Solidarity March« für die Extra-Demo geworben, aufgerufen hatte die »Initiative Berlin-USA e.V.« unter Führung der Abgeordnetenhaus-Präsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU). Sie wurde auf dem Weg vom Adenauer- zum Breitscheidplatz prominent begleitet von Anne Momper, Monika Diepgen, der Verlegerwitwe Friede Springer, der FDP-Chefin Carola von Braun, Heinrich Lummer und Finanzsenator Elmar Pieroth.

Laurien hielt auch die einzige Rede bei der Abschlußkundgebung. Sie setzte auf die Schutzmacht- Dankbarkeit: »Die Staaten, die jetzt für die Freiheit kämpfen, haben auch damals für unsere Freiheit gekämpft.« Die Debatte um neue Kriegssteuern bezeichnete sie »als entwürdigende Buchhalterdiskussion«. Es könne nicht um »Frieden um jeden Preis gehen«, so Laurien, sondern »um gerechten Frieden«, um »Frieden in Freiheit«. Die Forderungen der CDU-Politikerin wurden mit donnerndem Applaus und lautem »Jawoll!« bedacht.

Nicht nur der Zeitpunkt der Demonstration, einen Tag nach der Kundgebung der Friedensbewegung, sondern auch die Transparente zeigten, daß es sich um eine Anti-Veranstaltung handelte. Parolen wie »We gave him time, now give him hell!« und »Schluß mit der deutschen Drückebergerei« unterstellten, daß die Friedensbewegung weder auf die Gefährdung Israels hinweise, noch Saddam Husseins verbrecherische Politik und die deutschen Waffen- und Giftgasexporte anklage. Auf die machtpolitischen und ökonomischen Interessen der USA in der Golfregion wurde nicht eingegangen. Nur zwei Transparente befaßten sich mit den deutschen Waffenexporteuren.

Einer der Waffenexportkritiker, Moishe Waks, selbst grundsätzlich mit der Rede von Laurien einverstanden, hatte am Ende Zweifel, ob er mit den richtigen Leuten demonstriert habe: »Ich stehe hier mit Leuten zusammen, deren Meinung ich nicht unbedingt vertrete.«. aku/kotte

(Siehe auch Bericht auf Seite 22.)