Sachlicher Blick auf Friedensdemo

Deutsche Opposition gegen Golfkrieg findet große Aufmerksamkeit in US-Medien/ Auch über Beweggründe der Demonstranten wird berichtet  ■ Aus Washington Andreas Zumach

„Wenn in Gummersbach zwölf Leute demonstrieren, mache ich doch auch keinen Bericht.“ So der Washingtoner Korrespondent einer großen westdeutschen Rundfunkanstalt jüngst auf die Frage, warum er die Demonstration von immerhin 12.000 US-BürgerInnen in Boston gegen die Golfpolitik ihres Präsidenten keiner Aufmerksamkeit für würdig befand. Das war noch kurz vor Beginn des Angriffs auf Irak am 17. Januar. Inzwischen haben in den USA weit mehr Menschen gegen den Krieg und für einen sofortigen Waffenstillstand demonstriert — rund 350.000 allein am letzten Samstag. Seit zwei Wochen finden täglich überall im Lande Mahnwachen, Friedensgebete und Aktionen des zivilen Ungehorsams statt. Die Berichterstattung darüber in den meisten bundesdeutschen Medien bleibt dünn. Zur Antikriegsdemonstration am Wochenende in Washington, mit knapp 200.000 TeilnehmerInnen immerhin die größte seit den Tagen der Anti-Vietnamkriegsbewegung, bemühten sich nur zwei bundesdeutsche KorrespondentInnen.

Umgekehrt ist das anders. Auffällig häufig berichten die US-Medien spätestens seit den großen Kundgebungen am 12./13. Januar über den Protest und die Opposition gegen den Golfkrieg in Westeuropa — die großen Zeitungen, National Public Radio und, zumindest in kurzen Bildspots, auch die vier nationalen Fernsehnetworks. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Bundesrepublik Deutschland, wie während der Auseinandersetzungen über die Stationierung neuer Atomraketen in den achtziger Jahren.

Über die Bonner Demonstration vom Wochenende berichteten alle Fernsehnetworks und — in großer Ausführlichkeit — die gestrigen Sonntagszeitungen. In den Berichten kommt eine gewisse Überraschung zum Ausdruck, daß die allseits totgeglaubte Friedensbewegung kurzfristig wieder so viele Menschen mobilisieren konnte. Meist wird auch die — zumindest in den USA so empfundene — Zurückhaltung, mit der die Regierung Kohl/Genscher die Bush- Administration im Golfkrieg unterstützt, auf den Einfluß der Opposition außerhalb und innerhalb des Bonner Parlaments zurückgeführt. Selbst bei der Darstellung von Aktionen zivilen Ungehorsams vor US- Militäreinrichtungen in der BRD beschränken sich die Medien hier in der Regel auf sachliche Darstellung und enthalten sich der Kommentierung und Bewertung.

Die 'Los Angeles Times‘, mit über einer Million Auflage größer als 'Washington Post‘ und 'New York Times‘ und eine der wichtigsten Zeitungen des Landes, deren Artikel von vielen Regionalzeitungen nachgedruckt wird, veröffentlichte letzte Woche einen langen Bericht ihres Bonner Korrespondenten Tyler Marshall. Darin beschreibt Marshall ausführlich und differenziert die Beweggründe deutscher DemonstrantInnen gegen den Golfkrieg und läßt VertreterInnen der Friedensbewegung zu Wort kommen. Außerdem verweist er auf eine Tatsache, die in diesen Tagen oft unterschlagen wird bei der Diskussion pro und kontra Golfkrieg — so als sei der 2. August 1990 eine Stunde Null gewesen: Es waren bundesdeutsche Friedensgruppen, die schon in den Monaten und Jahren vor der irakischen Invasion in Kuwait die zumeist mit Genehmigung, ja Förderung der Bonner Regierung erfolgten, Rüstungslieferungen an Bagdad anprangerten und ihre Einstellung forderten. „Das Schuldgefühl und die Wut darüber“, so der 'Los-Angeles-Times‘-Korrespondent, daß es deutsche Firmen waren, die Saddam Hussein die wesentlichen Komponenten für Chemie- und Atomwaffen lieferten, mit denen er jetzt Israel bedroht, treibe vor allem jüngere BundesbürgerInnen dazu, sich jetzt gegen den Golfkrieg zu engagieren.

„Ich will von meinen Kindern niemals die Frage hören, warum ich nicht gegen Entwicklungen gewehrt habe, die ich falsch finde“, zitiert Marshall eine in der Friedensbewegung engagierte junge Frau. „Eine Frage“, so der 'L.-A.-Times‘-Korrespondent, „die viele Deutsche immer wieder ihren Eltern wegen deren Verhalten während der Nazizeit gestellt haben.“