Entscheidungsschlacht gegen die Natur

■ Das brennende Öl am Golf entzündet die Lunte für die Kriege nach dem Krieg

Die allgemeine Empörung über eine offenbar mit kaltem strategischen Kalkül ausgelöste Ökokatastrophe im Persischen Golf ist (selbst)verständlich. Die mit dem Entsetzen verknüpfte Überraschung ist es nicht. Warum sollte jenen, die aus persönlicher Machtgier, geopolitischen Interessen oder schlichter diplomatischer Unfähigkeit bereit sind, Zehn- oder Hunderttausende ihrer Untertanen in den Tod zu schicken, ausgerechnet eine intakte Umwelt am Herzen liegen? Ökologisch verantwortliche Kriegsherren, sie wären wahrlich eine Überraschung.

Zu allen Waffengängen der Vergangenheit gehörte — gewollt oder ungewollt, bewußt oder unbewußt — auch die Schlacht gegen die natürlichen Lebensgrundlagen der Überlebenden. Im Dreißigjährigen Krieg, der nach all seinen Zerstörungen in eine furchtbare Hungersnot mündete, ebenso wie im Vietnamkrieg mit der systematischen chemischen Entlaubung ganzer Landstriche durch die USA. Die Nazistrategie der „verbrannten Erde“ war schon immer mehr als eine Metapher für die Zerstörung technischer Anlagen, die nicht in Feindeshand geraten sollten. Der Aufschrei der Empörung darüber ging dennoch, so es ihn denn gab, stets im allgemeinen Schlachtgetöse unter. Das unmittelbare menschliche Leid jedes Krieges deckte (zu Recht) alle langfristigen ökologischen Folgen zu. An der Schwelle zum einundzwanzigsten Jahrhundert ist das anders, muß das anders sein — auch wenn es uns angesichts eines bevorstehenden Massenvernichtungskrieges schwerfallen mag, dies zu akzeptieren.

Spätestens seit sich Klimaforscher in den achtziger Jahren daran machten, die ökologischen Konsequenzen eines atomaren Schlagabtauschs zwischen den Supermächten an ihren Computern zu simulieren, wissen wir: Die Apokalypse ist machbar. Saddam Hussein hat angeblich angedroht, sämtliche kuwaitischen Ölquellen zu sprengen und in Brand zu setzen. Die These, daß dann ein „nuklearer Winter“ wie nach einem umfassenden Atomkrieg eintritt, scheint inzwischen widerlegt. Doch ein Kamikazeunternehmen bliebe ein solcher Angriff auf die Natur trotzdem. Das flammende Inferno über Kuwait würde die Lebensgrundlagen des Iraks, der gesamten Region und von Milliarden Menschen rund um den Äquator aufs Spiel setzen. Die Zahl der Folgeopfer könnte die der Kriegsopfer in den Schatten stellen.

Die größte Ölpest aller Zeiten mag nur der Auftakt sein für die Entscheidungsschlacht gegen die Natur am Persischen Golf. Aber sie tötet eben nicht nur die zu Tränen rührenden Kreaturen, die nun mediengerecht vor den Kameras verenden. Sie zerstört systematisch den größten Reichtum der Region, sie untergräbt die Wasserversorgung für Millionen, sie kann Auslöser werden für eine neue Völkerwanderung und damit für die weitere Zuspitzung der sozialen und kulturellen Spannungen in der Region. Das brennende Öl entzündet die Lunte für die Kriege nach dem Krieg. Auch deshalb: Waffenstillstand sofort! Selbst wenn Saddam mit seinem Krieg gegen die Natur genau darauf spekuliert.

Gerd Rosenkranz