Urteile in China verkündet

■ Wang Dan zu vier Jahren Haft verurteilt/ Ren Wanding, der schon nach dem Pekinger Frühling 1978/79 im Gefängnis war, erhielt sieben Jahre Haft/ Liu Xiaobo freigelassen

Peking/Berlin (afp/taz) — Mit Haftstrafen zwischen zwei und sieben Jahren fielen die Urteile des Pekinger Stadtgerichts gegen Wang Dan und fünf weitere Anführer der im Juni 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung niedriger aus als befürchtet. Den meisten der Angeklagten hatte wegen „konterrevolutionärer Propaganda“, „Subversion“ und „Rebellion“ die Todesstrafe gedroht. Die Urteile wurden am Samstag verkündet. Der 25jährige Studentenführer Wang Dan, der auf den Fahndungslisten der Regierung als Nummer eins aufgeführt worden war, erhielt eine Haftstrafe von vier Jahren. Guo Haifeng, zeitweise Generalsekretär des illegalen Autonomen Studentenverbandes, wurde ebenfalls zu vier Jahren Haft verurteilt.

Die höchste Haftstrafe von sieben Jahren wurde gegen den Buchhalter Ren Wanding verhängt. Ren hatte bereits in den achtziger Jahren mehrere Jahre im Gefängnis gesessen, nachdem er im Pekinger Frühling von 1978/79 an den Diskussionen um Demokratisierung, Menschenrechte und Rechtssystem in China aktiv beteiligt war. Der Verleger Bao Zunxin wurde zu fünf Jahren, der Student Yao Junling zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Literaturkritiker Liu Xiaobo, für den eine hohe Strafe befürchtet worden war, wurde zwar für schuldig befunden, aber auf freien Fuß gesetzt, ebenso die Aktivisten Chen Lai und Li Chenghuan.

Freigesprochen wurden 45 weitere Angeklagte. Diese seien „erfolgreich umerzogen“ worden. 18 Angeklagte wurden auf freien Fuß gesetzt, nachdem sie sich „reuig“ gezeigt hätten. „Reue“ und Kooperation, die Wang Dan in der eineinhalbjährigen Haftzeit gezeigt habe, galten auch als Begründung für sein relativ niedriges Strafmaß. Mit der höchsten Strafe dagegen wurde die „Unbelehrbarkeit“ Ren Wandings geahndet.

Bereits am 5. Januar waren Mitglieder der Demokratiebewegung abgeurteilt worden. Nach Ansicht westlicher Beobachter in China spiegelt die relative „Milde“ der Urteile das Gewicht der internationalen Meinung bei diesen Prozessen wider. Mit diesen Urteilen gegen prominente Intellektuelle soll jedoch auch von der unnachgiebigen Härte abgelenkt werden, die das Regime unmittelbar nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung gezeigt hatte. In Schnellprozessen sind Dutzende von Arbeitern, Bauern und Arbeitslosen hingerichtet worden. Die Verfahren gegen die mit den schwersten Anklagen der „konterrevolutionären Aufwiegelung“ belasteten Dissidenten stehen allerdings noch aus. Dazu gehören die Journalisten Wang Juntao und Chen Ziming. Die 'Volkszeitung‘ berichtete am Sonntag auf der letzten Seite über den Prozeß. Die übrigen Zeitungen plazierten den Artikel zwar auf der ersten Seite, jedoch an unauffälliger Stelle. Unterdessen hält der Druck auf kritische Intellektuelle an. Am Freitag war in der wichtigen chinesischen Tageszeitung 'Guangming Ribao‘ Wang Meng erstmals öffentlich kritisiert worden. Der Schriftsteller hatte als „Rechtsabweichler“ bereits früher viele Jahre in der Verbannung und in Arbeitslagern leben müssen. Unter Ex-Parteichef Zhao Ziyang war er Kulturminister und wurde im September 1989 des Amtes enthoben. Mit seinen Theorien habe er „grundlegend den Aufbau einer geistigen Zivilisaton des Sozialismus zerstört.“ li