„Das Wasser wird für den menschlichen Gebrauch nicht mehr nutzbar sein“

■ Der Hamburger Meeresbiologe Dr. Wolfgang Fischer über die Auswirkungen der Ölkatastrophe am Golf/ Schlimmere Folgen als bei bisherigen Tankerunglücken befürchtet INTERVIEW

taz: Was unterscheidet den Persischen Golf vom Prince William Sound vor Alaska, wo der Öltanker „Exxon Valdez“ vor zwei Jahren leckschlug?

Dr. Fischer: Bei dem Unfall in Alaska im März 1989 herrschten wegen des ausklingenden Winters wesentlich niedrigere Temperaturen. Das führte dazu, daß das Öl träge war und sich an der Oberfläche konzentrierte, nicht abdampfte und zum großen Teil an die Küsten gespült wurde. Im Golf aber liegen die Temperaturen zum Teil bei weit über 20 Grad. Dadurch ist die Giftigkeit des Öls wesentlich höher. Außerdem haben wir einen großen Unterschied, was die Meerestiefe anbelangt. In Alaska ging es sehr schnell über in große Meerestiefen. Durch die größeren Wassermassen wurde das Öl schneller verdünnt. Der Persische Golf ist mit Tiefen von 10 bis 15 und maximal 100 Metern ein recht flaches Gewässer mit relativ wenig Wasser. Dadurch wird sich das Öl lokal sehr viel stärker auswirken.

Was bedeutet das für die Weltmeere?

Die Straße von Hormus ist im Vergleich zu der großen Wassermenge eine sehr enge Straße, so daß der Austausch zum Indischen Ozean begrenzt sein wird.

Es gibt sehr unterschiedliche Stellungnahmen zu den Auswirkungen des Öls auf die Meeresentsalzungsanlagen für Trinkwasser. Unter anderem wird behauptet, das Trinkwasser für die Region sei nicht gefährdet, weil die Absaugrohre sehr tief im Meer verankert seien.

Dafür müßten jedoch die Rohre der Trinkwasseranlagen am Golf unter 50 Meter Tiefe liegen, was in diesem flachen Gewässer offensichtlich nicht der Fall ist. Ein großer Teil des Öls wird sicher bei der Destillation des Trinkwassers verlorengehen, aber nicht alle Bestandteile. Es läßt sich schwer einschätzen, wie giftig das Wasser sein wird. Es ist aber auf keinen Fall mehr für den menschlichen Gebrauch zu empfehlen.

Was passiert, wenn das Öl in Brand gesetzt wird?

Wir werden einen viel größer Anteil von krebserzeugenden Produkten haben, die in das Wasser absinken. Das ist möglicherweise noch viel gefährlicher.

Welche Auswirkungen hat das auf Flora und Fauna?

Konkrete Erkenntnisse aus dem Persischen Golf liegen nicht vor. Aus vergangenen Unfällen wie dem der „Amoco Cadiz“ 1979 vor der bretonischen Küste gibt es sehr genaue Untersuchungen, die belegen, daß 30 Prozent der Fauna und fünf Prozent der Flora als Folge des Unfalls abgestorben waren. Da die Bedingungen im Golf anders sind, ist damit zu rechnen, daß die die Auswirkungen wesentlich größer sind als bei der „Amoco Cadiz“. Es ist aber anzunehmen, daß die Wirkung des Öls kürzer anhalten wird als in den nordischen Breiten, weil es durch die höheren Temperaturen einen höheren Abbau des Öls durch natürliche Eiweißbakterien gibt, die das Öl fressen. Die Einschätzung, wie lange das dauern kann, liegt zwischen vier und zehn Jahren.

Was heißt das konkret für die Pflanzen und Tiere?

Pflanzen sind unempfindlicher. Sehr empfindlich sind dagegen Korallenriffe, die es vor allem im südlichen Teil des Persischen Golfs gibt. Die Vögel, deren Gefieder verklebt, erfrieren oder ertrinken wie ein Stück Blei. Bei den Meeresschildkröten und Delphinen kommt es zur Verätzung der Atemwege. Es ist zu befürchten, daß die Delphine und Schildkröten alle sterben. Außerdem besteht die Gefahr, daß die Zugvögel, die über den Golf in den Norden zurück fliegen, auch mit dem Öl in Kontakt kommen. Die Küstenfischer im Irak, in Kuwait, Iran und Saudi-Arabien fangen im Jahr rund 130.000 Tonnen Fisch. Die Fische werden absolut unbrauchbar sein.

Wie könnte der Schaden begrenzt werden?

Zur Methode des Verbrennens sage ich als Biologe nein: wegen der nicht einschätzbaren Wirkung der verbrannten Ölrückstände. Zur Bekämpfung mit Chemikalien sage ich genauso nein, weil nicht abschätzbar ist, welche Folgen das für das Ökosystem des Meeres bringt. Das einzige, was sich bewährt hat, ist die Begrenzung durch schwimmende Barrieren und Abpumpen. Allein die BRD hat 31 Bekämpfungsschiffe für Ölkatastrophen. Wenn man zusammen mit anderen Ländern eine Aktion machen würde, wäre wahrscheinlich einiges drin. Aber das müßte schnell passieren. Interview: Plutonia Plarre