Ungewisse Bewölkung

■ Beredet und vergeben: Bremer Literaturpreis 1991 in der Rathaushalle

Wohin sie auch fallen: Man muß die Preise schon feiern. Der bremische für Literatur ist jetzt also vergeben und vergessen: Ihn nahmen gestern mittag Fritz Rudolf Fries und Thomas Strittmatter (Förderpreis) vor vielem Publikum und unter Anteilnahme von Kultursenator Scherf in der handgeschnitzten Oberen Rathaushalle entgegen, beide nicht ganz unumstrittenermaßen (vgl. taz vom 26.1. und 28.1.), aber was will man machen.

Zum Fest erschienen nur Worte der gehobenen Mittelklasse. Redner redeten vornehm blasses Papier, Autoren sagten Dank wie gedruckt. Als erster sprach Wilfried F. Schoeller von der „Wolke der Ungewißheit“, worein Friesens Werk gehüllt sei, und meinte es lobend; sprach von einer platten DDR und anderenteils von des Schreibers „umfangreicherem Wissen der Melancholie“, freilich ohne das Geheimnis zu lüften. War auch keine Zeit: Schroeder hatte längst den Schalter für die Turbo-Metaphorik umgelegt; da war dann von Brechungen im „zwittrigen Licht doppelter Ironie“ die Rede usw., und die Frage war nur noch, ob am Ende die Bremsfallschirme halten.

Fritz Rudolf Fries hatte in seine Dankesrede kunstvoll ein Leitmotiv komponiert: das Portrait des Dichters als Nuß, mit seinen Worten: als gedankenspielender „Hieronymus im Gehäus“. Gehäus woraus? Wieder Literatur! Fries hat das, wie er sagt, „Schreiben im Gegensatz zur Politik“, wahrscheinlich von allen am weitesten vorangetrieben. Bloß werweißwohin.

Lobredner Rolf Michaelis berichtete aus des Schnellschreibers Strittmatter umnachtetem Bilderland; ich habe nur „Blut“, „Dunkles“ und „Tod“ behalten. Sonst ist Michaelis ein gelernter germanistischer Zöllner: jedes Roman-Wort klopft er ab, ob es assoziationsverdächtig klinge, und jeden Namen durchsucht er nach mitgebrachten Nebenbedeutungen. Und siehe, wir lernen, der „Raabe Baikal“ sei dem alten „Simplicissimus“ vielleicht nicht ganz unnachempfunden.

Strittmatter selber faßte sich äußerst düster, kurz und undeutlich. Es ging um schwarz verklebte Engelsflügel und was so sagt, wer sich jetzt in den tiefsten Schatten des Krieges hockt. Dort zerbrach der Autor allerdings mutwillig mehrere Metaphern. Die schönste: es nütze, sagte er, seit Monaten ein noch so kluger Kopf nix mehr, „denn jede Säule, auf der sich dieser Kopf niederlassen wollte, geriete sogleich ins Wanken.“

Obacht jedenfalls vor einstürzenden Preisträgern! Manfred Dworschak