Mozart auf analerotisch

■ Die Neuköllner Oper präsentiert eine »heimliche« Mozartrevue: »Lieber Gaulimauli«

Alternative Kulturarbeit funktioniert in den letzten Jahren nach einem gängigen Schema. Man verläßt sich auf die Themenvorgaben des bürgerlichen Kunstbetriebs und begnügt sich mit der Vorführung eines kritischen Gegenbilds der zu feiernden Größen. So geht es jetzt Mozart, dessen 200. Todestag in diesem Jahr zu begehen ist. Die Neuköllner Oper nimmt dies zum Anlaß, einen »heiteren Mozart unvoreingenommen auf die Bühne zu bringen«.

Gar lustig soll es zugehen mit Liedern wie dem vom lieben Gaulimauli, einem Kanon, den Mozart auf einen Schüler komponiert hat. Ihn freute die wachsende Distanz seines Getreuen zur modischen Musikwelt Italiens, und er feierte ihn in dem unbekümmert zu singenden, gegen die Kunstanleihen des Adels gerichteten Spottlied. Dieses Selbstverständnis möchte die Inszenierung gerne auf ihre eigene Darbietung übertragen.

Die Bühne betreten unter Leitung des Regisseurs Winfried Radeke die Mitglieder des »Kammermusikkreises Dachluke«: echte Amateure des Musikgeschäfts, die ihre Freizeit der Verehrung Mozarts opfern. Ihr Repertoire aber ist recht schmal: Eine kleine Nachtmusik gibt man zum Besten, nicht eben originell. Dann aber beginnt es in der Dachluke zu spuken. Aus den Schränken und Truhen des Speichers melden sich die musikalischen Geister selbst zu Wort. Ein wenig Gestöhne, Gepolter und Geschmatze, dann übernehmen sie die Handlung: Herr Stachelschwein (alias Wolfgang Amadeus) fällt den Musikern ins Wort: »Sie werden vielleicht glauben oder gar meynen, ich sey gestorben! — ich sey crepiert? — oder verreckt? — doch nein! Meynen sie es nicht, ich bitte sie; denn gemeint und geschissen ist zweyerlei.« Ein Satz aus den Briefen, die Mozart seiner Base Maria Anna Thekla geschickt hat. Eine skurrile Sammlung pubertärer Träumereien des Wunderkindes. Dieser Traumwelt entstammen auch die anderen Figuren des Spektakels: Mademoiselle Addio Fex Hex, Duchesse Arschbömerl und Herr Druck von Schluck. Wie es die Namen versprechen, wird nun deftig dirigiert, inszeniert und gesungen: Constance Gärtner (Mlle. Fex Hex) trägt eine schöne Persiflage auf die italienische Oper vor: »Ah, spiegarti, oh Dio«; in den Vordergrund aber rückt immer wieder die sexuelle Aufklärung: »Männer suchen stets zu naschen«, trällert Judith Hachfeld, und das kleine Schweinchen Amadeus hat die Spur auch schon aufgenommen. In einer durchgespielten Pause verteilt er Naschwerk an die Zuschauer und verschwindet mit zwei Bläserinnen hinter der Bühne. Es fehlt nicht an einem entsprechenden Nachspiel. Laut ertönt es »Bona nox! Bist a rechta Ox; bona notte, liebe Lotte; bonne nuit, pfui, pfui; good night, good night, heut müß ma noch weit.«

Auch wenn das keine große Musik ist, bleiben diese Lieder aufschlußreiche Dokumente zur Person Mozarts. Reicht es aber aus, gegen die reinen Klangwelten des CD-Mozarts, den Maestro einmal furzend auftretend zu lassen? Spannend wäre das allemal erst dann, wenn der kindische Fauxpas nicht für sich selbst stinken müßte, sondern tatsächlich als hintergründiger Ulk auch der großen Musikstücke vorgeführt würde. Dazu hat man sich indes keine Zeit gelassen und beläßt es lieber bei einer bloßen Karnevalssitzung von einer guten Stunde. Selbst größere Narren aber verzichten derzeit auf solche Unterhaltsamkeit. Thomas Schröder

Lieber Gaulimauli. Vom 29. bis zum 31.1. sowie am 5. und 6. Februar um 20 Uhr in der Neuköllner Oper, Karl-Marx-Straße 131-133.