Ein langer Golfkrieg treibt USA tiefer in die Rezession

Die Kriegskosten werden inzwischen auf 86 Milliarden Dollar geschätzt  ■ Aus Washington Andreas Zumach

„Die amerikanischen Städte sind in einem Zustand, als seien dort in den letzten Jahren bereits zahlreiche Scud-B-Raketen eingeschlagen. Und das wird jetzt eher noch schlimmer als besser.“ Ungewohnt drastisch und bitter enttäuscht äußerte sich Bostons Bürgermeister Robert Flynn am Wochenende vor laufenden Kameras. Mehr Zuschüsse der US-Bundesregierung zur Bekämpfung von Städtezerfall, Obdachlosigkeit, Armut, Hunger und Drogentod — mit dieser Erwartung waren Flynn und seine KollegInnen aus den anderen Städten zur Jahresanfangstagung der BürgermeisterInnen gekommen. Doch Abgesandte der Bundesregierung nahmen den BürgermeisterInnen sofort alle Illusionen: nicht mehr Geld, sondern Kürzung der Zuschüsse heißt die Devise. Der Krieg am Golf, so die Begründung, „fordert unser aller Opfer“.

Ein Budget für diesen Krieg, geschweige denn ein vom Kongreß debatiertes und verabschiedetes, gibt es nicht. Statt dessen legen das Budgetbüro und der Rechnungshof des Kongresses wöchentlich neue Kostenschätzungen vor. Inzwischen sind sie — unter der Annahme, der Krieg dauere mehrere Monate — bei mindestens 86 Milliarden US-Dollar angelangt. ExpertInnen gehen davon aus, daß diese Zahl noch weit überschritten wird.

Doch schon die 86 Milliarden schmeißen alle Wirtschaftsprognosen und Haushaltsplanungen über den Haufen. Wer wollte, konnte die Zeichen für eine drohende Rezession in den USA schon vor einem Jahr erkennen. Der Beginn des Krieges am 16. Januar brachte Hoffnung: Die Ölpreise fielen innerhalb eines Tages deutlich und auch die Langzeitzinsen bewegten sich nach unten. Eine Reihe von Wirtschaftsprognoseinstituten wagte sogar die Voraussage, die Rezession könne dank Krieg schnell überwunden werden und mittelfristig komme es sogar zu einem Aufschwung.

Diese Prognosen basierten auf der Annahme eines maximal wenige Wochen dauernden, siegreichen Krieges ohne den Einsatz von US- Bodentruppen. Die zugrunde liegende Kriegskostenschätzung: rund 26 Milliarden Dollar.

Das alles ist jetzt Schnee von gestern. Die Dauer der Kampfhandlungen wird jetzt auf mindestens mehrere Monate geschätzt. Der Bodenkrieg, der die täglichen Kosten von knapp einer Milliarde Dollar ungefähr verdoppeln wird, gilt inzwischen als „unvermeidbar“.

Die Wirtschaftsinstitute beginnen inzwischen mit der Korrektur ihrer Prognosen. Jetzt wird mit der Steigerung der Arbeitslosigkeit von 6,1 Prozent im (Winter)monat Dezember 1990 auf mindestens 7,2 Prozent im Sommer dieses Jahres gerechnet (Durchschnitt 89: 5,3 Prozent). Auch werde der Krieg, je länger er dauere und je mehr Leben von GIs er fordert, die Kaufbereitschaft der Konsumenten in den USA um so „negativer“ beeinflussen.