„Ich will nicht zurück — ich habe Angst“

Als „Erfolg“ verkauft die griechische Regierung die „freiwillige“ Rückkehr albanischer Flüchtlinge  ■ Aus Athen Robert Stadler

Aus der Traum von einer neuen Heimat. Innerhalb weniger Stunden verfrachteten die griechischen Behörden in Zusammenarbeit mit der Polizei mehr als 5.000 albanische Flüchtlinge wieder zurück in den Staat von Ramiz Alia. Sie fügten sich dem nach offizieller Version freiwillig, obwohl nicht wenige von ihnen tagelange Fußmärsche durch den Schnee auf sich genommen hatten, um heimlich die Grenze nach Griechenland zu überschreiten. Die eilige Rückkehr der Tausenden nach Albanien präsentierte Regierungssprecher Polydoras in Athen als „Erfolg der Regierungspolitik“.

Eine unbekannte Zahl von Flüchtlingen machte sich jedoch noch vor dem Abtransport unter den Augen der Polizei aus dem Staub und versteckt sich seither in den Wäldern: „Die Rückkehr nach Albanien war also nicht freiwillig. Sie war eine Wahl unter Zwang“, kritisierte die linke Tageszeitung 'Avgi‘. Wie das Athener Blatt 'Eleftherotypia‘ berichtete, wurde den Albanern vorgegaukelt, sie würden an einen anderen Ort Griechenlands gebracht. Wenig später fanden sich die Flüchtlinge dann in ihrer alten Heimat wieder. Der Kulturverein des nordgriechischen Ortes Sagiada, in dem ein Auffanglager eingerichtet wurde, klagte die Polizeikräfte an, die Flüchtlinge mit Gewalt und Schlägen in die Busse gepfercht zu haben. „Warum schicken sie mich zurück?“ fragte der junge Albaner Laro Arbenimi unter Tränen einen Reporter der Tageszeitung 'Eleftherotypia‘. „Ich will nicht zurück. Ich habe Angst.“

Arbenimi gehört zu denen, die den Zusicherungen der Politiker nicht glauben, daß sie in Albanien wegen ihres kurzen Intermezzos in Griechenland ungeschoren davonkämen. Beim Treffen zwischen Ministerpräsident Konstatinos Mitsotakis und Präsident Alia Mitte Januar in Tirana gestand Alia erst unter der Androhung, den Dialog abzubrechen, die Möglichkeit der straffreien Rückkehr für Flüchtlinge zu.

Das zentrale Anliegen von Mitsotakis bei seinem Besuch in Tirana war es, den unkontrollierten Flüchtlingsstrom nach Griechenland zum Stillstand zu bringen. Das ist ihm gelungen, denn in den letzten Tagen überschritt kein Albaner mehr illegal die Grenze. Den Ausreisewilligen riet das Außenministerium, sich mit gültigem Paß und Visum der griechischen Botschaft in Tirana zu versorgen. Darüber verfügen jedoch nur sehr wenige, und die Grenzbehörden haben somit das „Recht“ auf ihrer Seite und können Flüchtlinge problemlos zurückweisen.

Seit Jahresbeginn haben etwa 15.000 Menschen in der nordgriechischen Provinz Epirus Zuflucht gesucht. Die meisten von ihnen sind sogenannte Nordepiroten, eine griechischsprachige Minderheit, die im Süden Albaniens lebt und etwa 400.000 Menschen umfaßt. Diese Flüchtlinge warten derzeit in Epirus in mangelhaften Zeltlagern auf bessere Tage. Möglicherweise auch mit Unterstützung der EG wird die Regierung in Athen die Nordepiroten aber in absehbarer Zeit in Griechenland integrieren können. Der Albaner, die nicht griechischer Herkunft sind, hat man sich mit einer mehr oder weniger zwangsweisen Rückführung in die alte Heimat entledigt.