Späte Betroffenheit der Betriebsräte

Betriebsräte aus Rüstungsbetrieben trafen sich letzte Woche bei der IG Metall/ Erst der Golfkrieg brachte einige zum Nachdenken/ Flucht aus der Verantwortung: Nur Unternehmer sollen schuld sein  ■ Von Martin Kempe

Berlin (taz) — Vor Jahren waren sie noch bei der Bundesregierung als Lobbyisten für eine Lockerung der Exportbestimmungen vorstellig geworden. Jetzt macht sich Betroffenheit breit. Am Donnerstag letzter Woche trafen sich Betriebsräte aus deutschen Rüstungsbetriebsräten auf Einladung der Industriegewerkschaft Metall in Frankfurt. Und ratlos suchte die Runde nach einem politischen und moralischen Halt angesichts der Tatsache, daß Husseins auf Israel gerichteten Waffenarsenale nicht zuletzt aus deutschen Rüstungsschmieden stammen.

Rund 25 Betriebsräte der Flugzeug- und Raketenhersteller MBB und MTU, der Panzer- und Kanonenschmiede Rheinmetall in Düsseldorf, von Krauss-Maffai und Wegmann in Kassel hatten ursprünglich eine Routinesitzung absolvieren wollen, auf der die betrieblichen und gewerkschaftlichen Strategien angesichts der Ost-West-Abrüstung diskutiert werden sollten.

Jahrelang hatten sie vom Kalten Krieg gelebt und sich zum „Arbeitskreis wehrtechnischer Betriebe“ zusammengeschlossen, um gemeinsam mit ihren Geschäftsführungen für eine Lockerung der Exportbestimmungen für Rüstungsgüter einzutreten. Anfang der achtziger Jahre hatte die IG Metall sie politisch an die Kandare genommen: die Lobbytätigkeit wurde eingestellt, und die Gewerkschaft versuchte, den Betriebsratsfürsten den Gedanken von der Rüstungskonversion nahezubringen. Nur in einigen Betrieben wie Blohm & Voss in Hamburg, in denen sich schon vorher aktive Gruppen für eine Umstellung von Rüstungsproduktion auf nützliche Zivilproduktion eingesetzt hatten, wurde das Anliegen der Gewerkschaft aktiv unterstützt.

In den meisten anderen aber setzte man weiterhin auf Rüstung. Die Einigungsformel des Betriebsrätekreises lautete damals: Legitim ist, was von den Gesetzen der Bundesrepublik gedeckt ist.

Nun sind die Betriebsräte unerwartet mit einem heißen Krieg konfrontiert. Und angesichts der Demonstranten vor den Werkstoren suchen sie nach einem moralischen und politischen Halt für sich und für ihre Kollegen in den Betrieben, die sich plötzlich als Mitschuldige am Golfkrieg auf die Anklagebank gesetzt sehen. „Wir haben schließlich keine Mitbestimmung über das, was produziert wird“, lautete eine der im Frankfurter Kreis vorgebrachten Rechtfertigungen.

Aber die Frage, ob mit einer derartigen Mitbestimmung durch die Betriebsräte auch nur eine einzige Waffe weniger produziert oder exportiert worden wäre, wurde von den Betriebsräten nicht gestellt. Sie halten sich für unschuldig. Die Unternehmer und die Bundesregierung, die nichts gegen den Waffenexport getan hat, tragen nach ihrer Meinung die alleinige Verantwortung für die verbrecherischen Verwicklungen der deutschen Industrie in den Golfkrieg. Der IGM-Vorsitzende Steinkühler unterstützte diese Argumentation in seiner Rede vor den Betriebsräten: er forderte ein sofortiges Waffenexportverbot an alle Nicht- Nato-Länder, eine wirksame Kontrolle durch die Regierung und eine Verschärfung der Strafen bei Verstößen gegen die Embargo- und Kontrollbestimmungen.

Teilnehmer des Treffens am Donnerstag berichteten von großem Rechtfertigungsbedürfnis der Betriebsräte, aber auch von deutlich spürbarer Betroffenheit. Den Ausweg sucht man jetzt in verstärkten betrieblichen und gewerkschaftlichen Aktivitäten zur Rüstungskonversion.

So will der Betriebsrat von Rheinmetall — rund 1.000 Arbeitsplätze der Düsseldorfer Rüstungsschmiede sind abrüstungsbedroht — möglichst schnell einen Arbeitskreis ins Leben rufen, der Alternativen zur Rüstungsproduktion erarbeiten soll. Bisher hatte man das nicht für nötig befunden.