Saddams Drohung mit „nichtkonventionellen“ Waffen
: Kommen die ABC-Waffen?

■ Niemand weiß genau, ob der irakische Diktator ABC-Waffen einsetzen kann. Daß er vor ihrem Einsatz nicht zurückschreckt, hat er gegen den Iran gezeigt. In den USA wird derweil der Einsatz von Atombomben diskutiert.

Welche Chancen hat Saddam Hussein, seine Ankündigung vom Sonntag wahrzumachen und tatsächlich „nichtkonventionelle“ Waffen — sprich atomare, biologische oder chemische — einzusetzen? Daß er über Giftgas verfügt, ist seit dem Krieg gegen den Iran bekannt (siehe Kasten unten). Und jetzt mußte das Pentagon auch zugeben, daß durch die bisherigen Bombenangriffe vermutlich nicht 100, sondern nur 50 Prozent der irakischen Produktions- und Abfüllanlagen für chemische Kampfstoffe zerstört worden sind. Ob diese auch in ausreichender Menge auf Scud-Raketen montiert werden können, ist unter Experten zumindest umstritten (siehe Artikel unten), für US-Verteidigungsminister Cheney jedenfalls besteht die „klare Möglichkeit“, daß Bagdad künftig Scud-Raketen mit chemischen Gefechtsköpfen einsetzt. In einem Interview gab er auch zu, daß die US-Führung nicht weiß, über wieviele mobile Scud-Startrampen der Irak noch verfügt.

Falls von diesen mobilen Startrampen aus tatsächlich chemische Gefechtsköpfe gegen Israel geschickt würden, entstände auch dort eine neue politische Ausgangslage. Der General a.D. Abraham Tamir, der viele Jahre im israelischen Verteidigungsministerium für die strategische Planung verantwortlich war, schrieb gestern in der Zeitung 'Davar‘, die der Arbeiterpartei nahesteht: „Falls der Irak von chemischen Waffen Gebrauch macht — sei es mit Artillerie oder Flugzeugen beim Kampf gegen die alliierten Truppen oder mit Hilfe von Raketen gegen Saudi-Arabien und Israel — kann es zu Komplikationen kommen, die die gesamte Grundlage des Krieges im Golf verändern werden. Wenn es dabei zu großen Verlusten bei den alliierten Truppen kommt, muß man damit rechnen, daß die USA taktische Nuklearwaffen einsetzen, um den irakischen Widerstand zu brechen. Und falls Israel nicht hinzunehmende Verluste hat, kann es dann noch auf eigenes Eingreifen verzichten und weiter abwarten, bis Amerika die Arbeit für Israel erledigt? Oder wird dann Israel seine Pflicht tun und eigene Abschreckungskraft beweisen?“

Der Kommentator läßt die Frage offen, doch ist es kaum denkbar, daß Israel einen nichtkonventionellen Angriff so einsteckt wie den bisherigen Raketenterror gegen seine Zivilbevölkerung.

Verteidigungsminister Moshe Arens warnte gestern indes die Bevölkerung vor unmittelbar bevorstehenden irakischen Chemiewaffenangriffen. Ein demoskopisches Institut in Jerusalem hat gestern neue Zahlen über die Stimmung in der Bevölkerung veröffentlicht. 36 Prozent sagen, daß sie nur „mit großen Schwierigkeiten durchhalten können, falls die gegenwärtige Gefahr andauert“. Weitere 40 Prozent geben an, „nervös und besorgt“ zu sein.

US-Einsatz von Atomwaffen?

Die Ankündigung Saddam Husseins, nichtkonventionelle Waffen zu benutzen, hat auch in den USA die Diskussion um den Einsatz von Atombomben angeheizt — zunächst in Form von Dementis. Stabschef John Sununu sagte gegenüber der Fernsehstation ABC, Präsident Bush werde nicht zur Neutronenbombe greifen, um das Ende des Krieges zu beschleunigen.

Zumindest nimmt aber der Druck auf Bush zu. Nach Informationen der taz war der Luftwaffenchef William McPeak zu Beginn letzter Woche bei Verteidigungsminister Cheney, um ihm den Einsatz einer taktischen Atombombe vorzuschlagen; nur so könne der Bunker über Husseins Hauptquartier gesprengt werden. Noch lehnte Cheney ab, genauso wie die Forderung des US-Befehlshabers der Golftruppen, Schwarzkopf, der schon vor Kriegsbeginn eine Entscheidung für den Atomwaffeneinsatz wollte. A.W./azu/mr