Ressentiments gegen Muslime

■ Saddams Propaganda des »Heiligen Krieges« weckt alte Vorurteile gegen den Islam/ Muslime protestieren gegen »Gespräche« mit dem Staatsschutz/ Bislang keine konkreten Ergebnisse

Berlin. Sein Anliegen ist eigentlich die Verständigung zwischen Muslimen und Andersgläubigen, doch seit Ausbruch des Golfkrieges muß sich Mohammed H. am Telefon Beschimpfungen und Drohungen anhören. »Ihr Arschlöcher, Euch müßte man die Scheiben einschmeißen«, sei nur eine Kostprobe. Mehr möchte er dann lieber nicht zitieren, aber, sagt er, »so schlimm war es noch nie«. Seit sich Saddam Hussein betend und das Haupt Richtung Mekka gesenkt filmen läßt und bei den Arabern in den Nachbarländern mit dem Schlagwort des »Heiligen Krieges« um Sympathien und Gefolgschaft buhlt, erwachen bei manchem deutschen TV-Konsumenten lang gehegte und genährte Ressentiments gegen den Islam und Muslime. Bombendrohungen gegen islamische Einrichtungen oder Pöbeleien gegen Araber werden auch aus anderen bundesdeutschen Städten gemeldet. Mohammed H. ist gebürtiger Reinickendorfer und seit Jahren gläubiger Muslim. Den neu geweckten Ressentiments gegenüber seiner Religion steht er noch ratlos gegenüber.

Ob gewollt oder nicht, werden solche Ressentiments auch durch die jüngsten Polizeiaktivitäten genährt. Bereits seit Dezember erhielten mehrere Berliner arabischer Herkunft Besuch oder Post von der Polizei. Als »guter Kenner der Situation der Araber in Berlin« wurden die Adressaten zum persönlichen Gespräch zwecks Erörterung der Lage in der Golfregion und möglicher Motive für Straftaten in die Dienststelle gebeten.

Am 16. Januar durchsuchten Beamte der Berliner Polizei schließlich rund 50 Wohnungen vermeintlicher Saddam-Hussein-Anhänger. Betroffen waren unter anderem Palästinenser, Jordanier, Iraker und Marrokaner, darunter auch Boussif K., Imam einer arabischen Moschee in Kreuzberg. Fünf Stunden habe er mitsamt seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern in Anwesenheit eines Polizisten samt Maschinenpistole in der Küche verbringen müssen, bis die Beamten Wohnung und Keller durchsucht hätten. Beschlagnahmt wurde schließlich laut Protokoll ein weißer Block, ein Adreßbuch, ein Notizbuch und ein Jahrbuch. Bei Abdallah H., einem Berliner Bauingenieur und Mitglied im gleichen Moschee-Verein des Imams, durchsuchten ebenfalls Beamte die ganze Wohnung. Beschlagnahmt wurde nichts. Wie er in den Verdacht eines »potentiellen Gefährders« und Saddam-Anhängers gekommen ist, kann sich Abdallah H. ebenso wenig erklären wie der Imam. »Wir sind ausdrücklich gegen Krieg«, betont der Jordanier. Dazu gehört auch die Überzeugung, daß die USA keine Berechtigung gehabt habe, ihn anzufangen.

Boussif K. lebt seit elf Jahren in Deutschland, in denen er nach eigenen Angaben »noch nicht einmal falsch geparkt hat«, geschweige denn in Konflikt mit Polizei oder Gerichten gekommen ist. Mit ihren deutschen Nachbarn ist die Familie bislang gut ausgekommen, seit der Durchsuchung gehen ihnen die anderen Hausbewohner aus dem Weg.

Beim Staatsschutz meint man, über konkrete Ergebnisse noch nichts sagen zu können, bezeichnet die Durchsuchungsaktion jedoch als „durchaus erfolgreich«. Allerdings fand man weder Waffen noch Sprengstoff, die beschlagnahmten Unterlagen würden noch ausgewertet. Solche Maßnahmen, heißt es beim Staatsschutz, hätten nicht nur strafverfolgenden, sondern auch präventiven Charakter. Daß solche Durchsuchungsaktionen auch als Warnsignale an Anhänger Saddam Husseins gedacht sind, wird auch in Kreisen des Verfassungsschutzes bestätigt. Ein gewisses Maß an Sicherheitsbedürfnis gesteht Abdallah H., der zum gleichen den Berlinern, zu denen er sich auch selbst zählt, gerne zu — auch die Notwendigkeit von Hausdurchsuchungen. Daß bei der Aktion in einigen Wohnungen belastendes Beweismaterial gefunden worden sei, will er ebenfalls nicht ausschließen, »aber daß wir da reingezogen wurden, ist eine Provokation der Muslime in dieser Stadt«. Bewirkt haben die polizeilichen Maßnahmen nach seiner Überzeugung vorerst nur eines: Die Vorteile der Deutschen gegen den Islam. »Und ob das wirklich dem Frieden in deiser Stadt dient, wage ich zu bezweifeln.« Andrea Böhm