: „Drei plus eins“ für den Norden
■ Sender Freies Berlin schlägt Vierländeranstalt vor/ Anstalt weist Vorwürfe zurück
Seit die Neuordnung der Rundfunklandschaft in den neuen fünf Bundesländern auf dem Programm steht, geistern die verschiedensten Modelle durch den Raum. Am Montag hat der Intendant des Senders Freies Berlin (SFB), Günther von Lojewski, jetzt eine weitere Variante hinzugefügt. Er schlug das Modell einer „3 plus 1“-Mehrländeranstalt vor, das die Länder Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und den SFB umfaßt. „Dies sei die optimale Lösung“ für einen besseren Rundfunk in Nordostdeutschland, sagte von Lojewski vor der Presse. Das Modell habe den Vorteil, daß eine neue Verwaltung, nicht erst aufgebaut werden müsse. Wer die Effektivität des SFB nutze, reduziere Kosten und hole so das Optimum aus jeder Gebührenmark. Im Gegensatz zur bislang anvisierten Zweiländeranstalt Berlin-Brandenburg, die aufgrund ihrer Größe im Verbund der ARD zu den nehmenden Anstalten gehöre, sei die angestrebte „3 plus 1“-Anstalt mit einem Gebührenaufkommen von über 500 Millionen Mark wirtschaftlich tragfähig.
Der vom SFB-Intendanten vorgelegte Plan sieht Landesfunkhäuser vor, die in den beteiligten Ländern ein eigenes Hörfunkprogramnm betreiben, als auch gemeinsam ein Informationsprogramm, ein Kulturprogramm sowie eine Jugend- und Musikwelle ausstrahlen. Des weiteren gestalten die Landesfunkhäuser die jeweilige Regionalberichterstattung, die im Fenster des ARD- Vorabendprogrammes ausgestrahlt wird. Alle Landesfunkhäuser zusammen erstellen ein gemeinsames drittes Fernsehprogramm, was heißen würde, daß der SFB aus der Nordschiene ausscheidet, denn, so der Programmdirektor Horst Schättle, „ein drittes Programm in der Region hat absolute Priorität“ .
Schwere Vorwürfe richtete der Intendant gegen die „Einrichtung“, die gegenwärtig dabei ist, die landesweiten Rundfunkprogramme der ehemaligen DDR abzuwickeln. Es hat den Anschein, so der Intendant, als werde versucht, „die Struktur des ehemaligen DDR-Rundfunks zu stabilisieren“. So habe sich die „Einrichtung“ nicht nur eine Großrechneranlage zugelegt, die mit dem EDV-Betriebssystem der ARD-Anstalten inkompatibel sei, sondern auch in Cannes in erheblichem Umfang Filme zu überhöhten Preisen eingekauft.
Vertreter des DFF, des Berliner Rundfunks und auch der Sprecher des Rundfunkbeauftragten Mühlfenzl, wiesen die Anwürfe Lojewskis zurück. Die Vorwürfe seien Polemik, und entbehrten jeglicher Grundlage, meinte Gehler. „Ich kann mir nur vorstellen, daß Lojewskis eigene Sorgen der Grund für diese Anwürfe sind.“ So habe die Einrichtung die Rechenanlage nicht gekauft, sondern nur geleast und auch der Filmeinkauf, der im Spätsommer des vergangenen Jahres stattfand, sei nachweislich zu äußerst günstigen Bedingungen getätigt worden.
Das Planspiel hinsichtlich der Frage, welches Land mit welchem zusammengeht, hat also eine weitere Variante bekommen, denn sowohl Mecklenburg-Vorpommern als auch Sachsen-Anhalt schienen bislang vergeben.
So wird das Nordland seit geraumer Zeit stark vom NDR umworben — die Mecklenburger und Vorpommern hätten „verwandschaftliche Bindungen in Kultur und Sprache, in Natur und Geschichte“ zum Sendegebiet des NDR, schrieb erst jüngst der Ministerpräsident Alfred Gomolka — und auch den Parlamentariern in Sachsen-Anhalt liegt bereits eine Offerte aus Thüringen vor, gemeinsam mit den Sachsen eine Mehrländeranstalt der südlichen Ostländer zu bilden. Den Regierenden Bürgermeister von Berlin ficht das aber nicht an, er hat am Montag bereits den Ministerpräsident von Mecklenburg getroffen und noch in dieser Woche ist ein Gespräch mit dem Regierungschef in Sachsen-Anhalt geplant.
Zwar hat Lojewski die Rückendeckung des neuen Berliner Senats, aber der Schachzug, die „Einrichtung“ als Buhmann aufzubauen, kann durchaus zum Eigentor werden. Denn die Art und Weise, wie sich der SFB zum einzigen Garanten eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks stilisiert und die Bestrebungen von Mühlfenzl diffamiert, könnte einen Solidarisierungsschub auslösen, der alle großspurigen Pläne zunichte macht. Karl-Heinz Stamm
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