Lotze: Aussagen sind keine Ware

■ Positionen im ersten RAF-Aussteiger-Prozeß auch nach neuer Zeugenvernahme unverändert

München (taz) — Stockend, mit tränenerstickter Stimme spricht der Rote-Armee-Fraktion-Aussteiger Werner Lotze an diesem letzten Prozeßtag vor der Urteilsverkündung sein Schlußwort. „Ich möchte noch mal betonen, daß ich mein Wissen über Inhalte, Strukturen und Personen der Rote-Armee-Fraktion nicht als Ware betrachtet habe und ich insofern keinen Preis einfordern kann“, erklärt er mit gesenktem Kopf vor dem bayerischen Obersten Landesgericht.

Bei dem im Juni vergangenen Jahres in der ehemaligen DDR festgenommenen 38jährigen Werner Lotze soll erstmals die umstrittene Kronzeugenregelung angewandt werden.

Als Reaktion auf die Forderung des Anklägers Klaus Pflieger, Werner Lotze für neun Jahre einzusperren, und eine mögliche harte Haltung des Gerichts hatte der Anwalt des RAF-Aussteigers, Hoffmann, am vergangenen Freitag nochmals einen „Hilfsbeweisantrag“ gestellt.

Obwohl bereits ein Bundesanwalt als Zeuge der Verteidigung ausgesagt hatte, forderte der Anwalt, daß zwei weitere hohe Beamte des Verfassungsschutzes und des Bundeskriminalamtes als Zeugen auftreten. Grund: Beide sollten konkret darstellen, wie sehr die Aussage Lotzes die „Szene“ verunsichert habe.

Doch auch nach dem Auftritt des Kölner Verfassungsschützers Bauer am vergangenen Montag blieb die Position der Bundesstaatsanwaltschaft unverändert. Bundesanwalt Pflieger verlangt weiterhin neun Jahre Haft für den Angeklagten.

Während Bauers Einlassung blieb die Öffentlichkeit ausgeschlossen. „Die heutige Aussage hat nichts entscheidend Neues gebracht“, begründete Pflieger seine starre Haltung. Ganz Anhänger des Sühnegedankens, betonte er, es gäbe kein Verfahren, wo „Strafe so Sinn macht“.

Daß das Aussageverhalten Werner Lotzes der „RAF an den Nerv gegangen ist, das ist eine Hoffnung“, stellte er fest. Diese Hoffnung beschwor Verteidiger Hoffmann in seinem Schlußplädoyer. Er appellierte an die fünf Richter, „diesem zarten Pflänzchen Hoffnung“, das gerade Wurzeln geschlagen habe, die Möglichkeit zu geben, „gerade und gut aufzuwachsen“.

Gleichzeitig richtete er an sie die Bitte, den Haftbefehl so lange aufzuheben, bis das Urteil rechtskräftig ist. Eine solche „mutige Entscheidung“ des Gerichts sei wichtig, damit Werner Lotze sehen könne, wie und wo seine Familie nach der Wiedervereinigung lebe. Aber auch, um sich überhaupt ein Bild davon machen zu können, was aus der früheren DDR geworden sei.Morgen werden die Richter ihr Urteil verkünden. Luitgard Koch