Verwerfungen im Ölteppich

■ Sterbende Seevögel im TV waren nicht Opfer der mutwillig herbeigeführten Ölkatastrophe in Kuwait/ Drei Quellen verseuchten den Golf

Berlin (taz) — Die jämmerlichen, ölverklebten Seevögel, deren Bilder seit vergangenem Freitag ununterbrochen um die Welt gingen, verdanken ihr Schicksal nicht der von Saddam Hussein mutwillig ausgelösten Ölpest im Persischen Golf. Diese Erkenntnis der ARD-Tagesthemen vom Montag abend ändert leider nichts an den verheerenden Ausmaßen der Umweltkatastrophe im Kriegsgebiet. Klar scheint nur, daß die herzzerreißenden Filmaufnahmen von der saudischen Golfküste bereits vor den ersten Nachrichten über Saddams Griff zur Ölwaffe entstanden waren, und die US-Propaganda sie dann umgehend für ihre Zwecke zu nutzen wußte.

Der Ölteppich — nach übereinstimmenden Schätzungen saudiarabischer und französischer Stellen flossen insgesamt etwa 1,4 Millionen Tonnen Rohöl ins Meer — stammt nach einer Übersicht des französischen Forschungszentrums für Meeresverschmutzung „Cedre“ in Brest aus drei Quellen: Der Löwenanteil von etwa einer Million Tonnen floß danach aus dem kuwaitischen Ölverladeterminal „Mina Al Ahmadi“. Das Öl bedecke gegenwärtig eine Wasserfläche von 55 mal 15 Kilometern, hieß es gestern, und habe bereits 100 Kilometer der Küste verseucht. US-Militärs versichern, diese Quelle am Wochenende mit einem Bombenangriff auf die Ölverteilanlagen für „Mina Al Ahmadi“ „trockengelegt“ zu haben.

Fast der gesamte Rest floß laut „Cedre“ aus fünf irakischen Schiffen, darunter drei Tankern, die vorsätzlich vor Kuwait-Stadt zerstört worden seien. US-Militärs hatten bereits am Wochenende berichtet, diese Schiffe hätten zunächst sehr tief im Wasser gelegen und seien im Laufe der Woche vom Irak mutwillig entleert worden. Dieser Ölteppich werde bis heute den saudischen Hafen Jubail erreichen, dessen Entsalzungsanlagen 70 Prozent des Trinkwassers von Riad liefere, sagte die Direktorin des Brester Instituts, Marthe Melguen. Schließlich berichtet das Institut über einen dritten, kleineren Ölfilm. Er sei das Resultat irakischer Bombenangriffe auf Öllager an der saudischen Küste. Aus diesem Gebiet, 30 Kilometer südlich der kuwaitischen Grenze, stammen vermutlich die Aufnahmen der sterbenden Seevögel, mit denen auch das deutsche Fernsehen seine Berichte über die Katastrophe in Kuwait untermalte. Nachdem Saddam Hussein den Einsatz der Ölwaffe gegenüber CNN-Reporter Peter Arnett indirekt verteidigt hat, wächst am Golf die Furcht, daß der Irak auch weiter Öl in den Golf leiten wird. Davor warnte gestern der Gesundheitsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Ahmed Said el Badi. Er wies darauf hin, daß das Gebiet, „in dem sich die Katastrophe abspielt, von regionalen und internationalen Organisationen, die die Ölpest bekämpfen wollen, nicht erreicht werden kann“.

Das großangekündigte deutsche Hilfsprogramm kommt unterdessen nur schleppend in Gang. Die beiden Spezialschiffe „Scharhörn“ und „Mellum“ liegen weiterhin in Cuxhaven und Wilhelmshaven fest. Nach Auffassung des Leiters der Cuxhavener Sonderstelle für Ölunfälle, Klaus Schroh, kommen sie wegen ihrer zivilen Besatzung für einen Einsatz im Kriegsgebiet nicht in Betracht. Für fünf Container mit technischem Gerät zur Bekämpfung der Ölpest, die ebenfalls in Cuxhafen bereitstehen, fehlt offenbar eine Transportmöglichkeit. Das Auswärtige Amt in Bonn bot bisher lediglich der Regierung in Katar ein „Hilfspaket“ im Wert von schlappen fünf Millionen Mark an. Gerd Rosenkranz