Europareise in den Knast

■ Von einem Peruaner denunziert: Kolumbianer seit 16 Monaten in U-Haft

16 Monate Untersuchungshaft haben dem Kolumbianer Marino T.-L. schwer zugesetzt. Auf der Angeklagtenbank des Bremer Landgerichts sitzt von Verhandlungstag zu Verhandlungstag ein gebrochenerer Mann: schwere Depressionen und starke Rückenschmerzen hat sein Arzt diagnostiziert. Gestern machte sich der Kolumbianer zum ersten Mal im Lauf des Verfahrens Luft. Er brach seine Aussageverweigerung zu einer dramatischen Unschuldsbeteuerung und forderte vom Gericht: „Wenn man mich verurteilen will, weil ich Kolumbianer bin, dann machen Sie bitte schnell und fertig.“

Tatsächlich konnten Staatsanwaltschaft und Richter dem Kolumbianer Marino T.-L. bislang kaum mehr als seine Nationalität vorhalten. Der gesamte Prozeß stützt sich lediglich auf die Aussage des mitangeklagten Peruaners Daniel G.-N., der im September 1989 mit zwei Kilo Kokain unter der Jacke im Bremer Freihafen gestellt worden war. Im anschließenden Verhör nannte er Marino T.-L. als Hintermann seines Kokain-Schmuggels.

„Eine simple Laune dieses Hurensohns“, wehrte sich Marino T.-L. gestern dagegen — und präsentierte dem Gericht dann einen ausführlichen Bericht seiner Europa-Reise, die rein zufällig über Bremen geführt habe. Im April 1989 habe er sich spontan zu der Reise in die „alte Welt“ entschlossen, um für einige Zeit der Eifersucht seiner Lebenspartnerin zu entgehen. Seine Finca habe er zwei Freunden anvertraut, und mit seinen Ersparnissen einen Flug nach Brüssel gebucht, um in Europa „ein graues Haar in die Luft zu werfen“. Vier Monate lang sei er als Gast einer früheren kolumbianischen Freundin in Paris gewesen. Erst kurz vor dem geplanten Rückflug habe er dann noch Holland und Deutschland kennenlernen wollen — „vor allem die berühmte Berliner Mauer, von der ich schon als Kind gehört hatte“.

Den Peruaner Daniel G.-N. habe am Tresen einer Hafenkneipe in Antwerpen kennengelernt. „Ich finde überall schnell Bekannte, vor allem wenn sie meine Muttersprache sprechen“, berichtete Marino T.-L. gestern. Mit G.-N. habe er noch am gleichen Abend spontan eine Reise nach Deutschland beschlossen. „Erst während der Fahrt merkte ich, daß wir in einer Stadt namens Bremen ankommen würden“, erinnerte sich T.-L., „damit nahm das Unglück seinen Lauf.“

Ein Unglück, von dem Marino T.-L. erst erfuhr, als er am 16.9.89 aus dem Bett seines Bremers Hotelzimmers heraus verhaftet wurde. Mit dem Peruaner G.-N. hatte er in den Tagen zuvor einen Ausflug nach St.-Pauli gemacht, ansonsten habe man sich kaum gesehen. „Es war eine ganz normale Urlaubsbekanntschaft“, versicherte Marino T.-L. gestern dem Gericht. Und tatsächlich spricht nichts außer der Behauptung des Peruaners gegen diese Aussage.

„Egal wie gut ich mich in Europa amüsiert habe, ich habe es so teuer bezahlt wie die, die sich an Aids anstecken“ — Marino T.-L. ist nach 16 Monaten U-Haft zermürbt. Eine Ende des Prozesses ist nicht in Sicht. Ase