Ohne Soldaten kein Krieg

■ 100 Bundeswehr-Soldaten wollen am Samstag den Kriegsdienst verweigern

Mehr als hundert Wehrpflichtige, Reservisten und aktive Soldaten werden am Samstag öffentlich und gemeinsam auf dem Bremer Marktplatz den Kriegsdienst verweigern. „Wir stehen für den Krieg am Golf und anderswo nicht mehr zur Verfügung“, heißt es in der gemeinsamen Verweigerungs-Erklärung, die die Soldaten am Samstag, 2.2., um 12 Uhr öffentlich unterschreiben wollen. 150 Noch-Soldaten trafen sich am Dienstag auf Einladung der Gruppe „Reservisten verweigern sich“ im Wienerhof-Cafe zur Vorbereitung der Aktion.

Zum Beispiel Lothar Hartmann: Er hat seinen Bundeswehrdienst seit 17 Jahren hinter sich — jetzt will er den Kriegsdienst verweigern. Von 1970 bis 1974 war er Zeitsoldat. Danach hörte er 14 lange Jahre nichts mehr vom Bund — bis er 1988 zur Fahne gerufen wurde: Wehrübung. „Weil ich einen Haufen Arbeit hatte, habe ich auch danach nicht verweigert. Direkter Auslöser für meine Verweigerung jetzt ist der Krieg am Golf, wo sich Menschen für Öl, für Geld, für was weiß ich, gegenseitig umbringen.“

Andreas Riedel war zwar nur die üblichen 15 Monate beim Bund, aber er ist als Waffenwart ausgebildet worden und kennt sich bestens aus mit allem, was schießt und explodiert. „Wegen meiner Ausbildung rechne ich damit, daß ich eingezogen werde.“ Auch Lothar Hartmann meint: „Irgendwann kommt der Einberufungsbescheid, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“

Für die meisten der 150 Soldaten, die am Dienstag abend ins Wienerhof-Cafe gekommen waren, spielt die Angst, selbst in den Krieg geschickt zu werden, die größte Rolle. Ehemalige Heeres- Soldaten befürchten, in die Türkei abkommandiert zu werden, Marinesoldaten rechnen mit Wehrübungen im Mittelmeer. Doch selbst in bundesdeutschen Kasernen will zur Zeit keiner mehr Dienst tun. „Ich will ein politisches Zeichen setzen, hier würde ich den Krieg genauso unterstützen“, sagt Andreas Riedel. Verbreitete Meinung unter den Noch-Soldaten: Der Krieg explodiert zu einem riesigen Flächenbrand, das Flammenmeer über den Ölfeldern und die mutwillige Verseuchung des Golfs seien nur der Anfang. Einige rechnen mit der Atombombe. Lothar Hartmann: „Das Ganze ist nur durch Verweigerung aufzuhalten. Ohne Soldaten kein Krieg.“

Den Vorwurf anti-israelischer Einstellung will kaum jemand auf sich sitzen lassen. „Je länger der Krieg dauert, desto gefährdeter ist Israel. Durch den Krieg verbünden sich die arabischen Staaten gegen Israel“, meint einer.

Wenn die Verweigerer ihren gemeinsamen Antrag am Samstag unterschrieben und am Montag um 11 Uhr beim Kreiswehrersatzamt abgegeben haben, ist für sie der erste Schritt getan. Trotzdem könnten sie zu Kriegsübungen in die Türkei eingezogen werden: Der Verweigerungsantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Nur der Dienst mit der Waffe ist dann ausgeschlossen. Auch wenn der „Verteidigungsfall“ ausgerufen wird, dürfen Verweigerer, über deren Antrag noch nicht entschieden ist, nicht gezwungen werden, ein Gewehr in die Hand zu nehmen. Hartwig Hinney von der Verweigerungs- Gruppe vermutet aber, daß Verweigerer kaum mehr zu Übungen eingezogen zu werden. Die Bundeswehr könne im Kriegsfall kein Interesse an halben Portionen haben.

„Wenn ich meinen Einberufungs-Bescheid im Briefkasten finde, tauche ich lieber gleich unter. Ich ziehe zu Freunden“, meinte einer der Reservisten und erntete von manchem zustimmendes Nicken.

och