»Die Friedensbewegung ist naiv«

■ Moishe Waks, Unterstützer der proamerikanischen Demo, über das gespannte Verhältnis zwischen der Friedensbewegung und Israel INTERVIEW

Moishe Waks ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde und hat mitgeholfen, daß die proamerikanische Demonstration am vergangenen Sonntag zustande kam.

taz: War die Demonstration der »Initative Berlin-USA« auch gegen die Friedensbewegung gerichtet?

Moishe Waks: Nein. Wir haben natürlich den Sonntag gewählt, weil wir nicht am gleichen Tag wie die Friedensbewegung demonstrieren wollten, denn in der Tat: Wir unterscheiden uns. Die Friedensbewegung ist naiv. Ihr Weltbild nährt sich aus den alten Antiimperialismustheorien, die uns im Moment keinen Schritt weiterbringen. Der Zeitpunkt der Demonstration war aber eher zufällig. Ursprünglich beabsichtigten wir an einem frühen Abend während der Woche auf die Straße zu gehen. Aber aus Furcht, daß unheilstiftende Gruppen sich unter die Demonstranten mischen, haben wir das gelassen.

Ihre Demonstration war stärker proamerikanisch, als die der Friedensbewegung antiamerikanisch sind.

Das ist richtig, wir unterstützen die USA und die Völkergemeinschaft. Die Sanktionen der UNO gegen den Irak wurden ja auch mit den Stimmen von arabischen Staaten beschlossen. Verhandlungen waren mit Hussein nicht möglich. Der Mann hat andere Spielregeln. Man kann nicht mit jemandem Schach spielen, der lieber boxen möchte. Mit unserer Demonstration wollten wir sagen, daß manchmal Kriege nicht nur unvermeidlich, sondern sogar notwendig sind. Dieser Krieg wird jetzt in erster Linie von den USA geführt, und da müssen wir solidarisch sein.

Also eine Demonstration für den Krieg.

Natürlich wollen wir auch keinen Krieg, aber in dieser sehr konkreten historischen Situation sehe ich keinen anderen Ausweg. Auch die Friedensbewegung hat übrigens kriegerische Agressionen in Kauf genommen. Zum Beispiel den Überfall auf Kuweit. Selbst der von der Friedensbewegung oft ins Spiel gebrachte totale Wirtschaftsboykott ist eine Art Krieg. Ein ganzes Volk hätte verhungern müssen und Hussein hätte dies hingenommen. Er hätte dann seinen Krieg gegen das eigene Volk geführt und dazu hätte die Friedensbewegung auch nicht schweigen können.

Halten Sie die Friedensbewegung für antiisraelisch?

Ja. Die proisraelische Argumentation ist sehr labil und erscheint nachgeschoben. In den letzten Tagen wird zwar demonstrativ die Solidarität mit Israel betont, aber dies ist im Moment auch nicht schwer. Es ist inzwischen allen klar geworden, daß Israel sich trotz aller militärischer Optionen zurückhält, damit die antiirakische Allianz nicht auseinanderbricht. Das ist eine sehr vernünftige Position. Aber damit gerät Israel immer mehr in die Rolle des wehrlosen Opfers. Und als Opfer erhält Israel jetzt dieses Stück Solidarität, das es bereits vorher gebraucht hätte. Übersehen wird nämlich, daß Israel immer schon bedroht wurde und nicht der Aggressor war, wie die Friedensbewegung anfänglich behauptete.

Meinen Sie die israelische Besetzungspolitik?

Die Lösung des Palästinaproblems würde heute keinen Frieden im Nahen Osten bringen, weil die arabischen Potentaten die Palästinenser für ihre antiisraelische Politik mißbrauchen. Im Prinzip war es auch nicht gottgegeben, daß sich die Palästinenser auf die Seite Saddam Husseins gestellt haben, der die Vernichtung Israels propagiert. Es wäre denkbar gewesen, daß Palästina auf einer Friedenskonferenz bestanden hätte, ohne sich von Hussein instrumentalisieren zu lassen. Aber die Palästinenser sind gespalten. Die Fraktionen innerhalb der PLO spiegeln die Zerissenheit der ganzen arabischen Welt wieder.

Wie kann die Friedensbewegung einerseits glaubwürdig ihre Solidarität mit Israel beweisen und andererseits gegen diesen Krieg protestieren?

Die Friedensbewegung müßte es nicht nur hinnehmen, sondern unterstützen, daß die Bundesrepublik Patriot-Abwehrraketen nach Israel schickt. Das sind reine Verteidigungswaffen. Hier könnte die Friedensbewegung anfangen, über ihren Schatten zu springen. Interview: Anita Kugler