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Rapende Soldaten sagen NEIN!

■ Ein grooviger »Just-say-NO-Rap« ermuntert Soldaten zum Desertieren/ Kassetten kursieren schon am Golf und in der Bundeswehr

Kreuzberg. Mit einem von ihm selbst komponierten Rap protestiert der schwarze Musiker und Vietnam- Veteran Darnell Stephen Summers gegen den Golfkrieg: »I ain't dying for the price of gas — Uncle Sam, you can kiss my ass.« Da rapt der Götz von Berlichingen. Und auch die eindringliche Botschaft des Refrains ist klar: »So when they tell you to go — just say NO«. Professionell produziert und demnächst auf CD erhältlich, könnte der Song von Summers Band »The Criminals« schon bald zu einem Problem für Militärs und Politiker werden. Denn der »Just-say- NO-Rap« hat das Zeug zum Ohrwurm, ist gefährlich hitverdächtig.

Schon kursieren die Kassetten mit der moralzersetzenden Musik unter amerikanischen Soldaten in Saudi Arabien. Unabhängige US-Radiostationen, vor allem an der Ostküste, spielen den Anti-Kriegs-Rap mehrmals täglich. Als Summers und seine »Criminals« vor kurzem mit einer tragbaren Verstärkeranlage vor der Zufahrt einer amerikanischen Kaserne in Fulda aufspielten, versuchten die US-Militärpolizisten vergeblich, die dort stationierten GIs zum Schließen ihrer Fenster zu bewegen.

Summers, seit 1972 in Deutschland, weiß, daß ein solcher Protest in den Staaten wahrscheinlich unmöglich wäre. »Doch in Fulda kam die deutsche Polizei und schützte mein Demonstrationsrecht, anstatt den MPs dabei zu helfen, mich loszuwerden«, erzählte er. Selbst wenn Summers, zum Beispiel auf Demonstrationen, spontan ohne Begleitmusiker und Technik losrapt, geht der Rhythmus in die Beine und verstärkt die »Message«: Lauf weg, say NO.

Der »Just-say-NO-Rap« entstand bereits vor Ausbruch des krieges im August letzten Jahres. »Einige von meinen Band-Mitgliedern sind selbst hier stationierte GIs. Als der Krieg immer wahrscheinlicher wurde, machten wir uns eben einige Gedanken«, beschreibt Summers, der jetzt in Berlin zu Besuch war, die Entstehung des Songs.

Deutsche Friedensgruppen unterstützen das Projekt mit 5.000 Mark, diverse Plattenfirmen erteilten jedoch Absagen — oft mit Rücksicht auf ihre amerikanischen Muttergesellschaften. Summers: »Wir haben alles allein gemacht, das war eine echte Untergrundproduktion.« Nachdem schon fast 1.000 Kassetten an Friedensgruppen, Soldaten und Radiosender verteilt waren, fand sich mit der Produzentin Vera Brandis schließlich eine Geldgeberin für die professionelle Vermarktung des Protest-Raps mit dem stellenweise geradezu prophetischen Text (»When oilfields start to burne«).

»I can't stand John Wayne« (Ich kann John Wayne nicht ausstehen) singt Summers in seinem Rap, findet den Vorwurf des Antiamerikanismus allerdings absurd: »Was heißt schon amerikanisch?« fragt er aufgebracht. »Die ausgerotteten Indianer sind amerikanisch, und die Menschen, die jetzt in den Staaten gegen den Krieg demonstrieren, sind auch amerikanisch. Auch die deutsche Friedensbewegung hat nichts gegen das amerikanische Volk. Der Begriff ‘amerikanisch‚ wird von den Politikern mißbraucht, um den Widerstand gegen den Krieg zu diskreditieren.« Mit dem Rap bekämpft der 43jährige auch die seiner Ansicht nach einseitige Berichterstattung in den Medien. »Die verschweigen die simple Wahrheit«, kritisiert Summers, »daß nämlich immer die kleinen Leute gegeneinander kämpfen und sterben müssen und nicht die verantwortlichen Politiker, die versagt haben«.

Zusammen mit Brian Chambers, einem Mitglied der amerikanischen »Vietnam Veterans against the War«- Vereinigung, arbeitet Summers zur Zeit an der Aufstellung einer »Stop the War«-Brigade. In ihr wollen Veteranen aus aller Welt, von Vietnam bis Afghanistan, gemeinsam gegen den Krieg am Golf protestieren. Gleichzeitig versucht Summers weiterhin, den Widerstand innerhalb der amerikanischen Streitkräfte zu mobiliseren. Auf dem hannoverschen Hauptbahnhof schenkte Summers die Kassette mit dem Anti-Kriegs- Rap auch einem deutschen Bundeswehrsoldaten. Vielleicht rapt der Refrain somit auch bald in deutschen Soldatenohren: »Just say NO!« Marc Fest

Entsprechende Musikwünsche in Berlin an: Radio 4 You.

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