»Hände weg von Israel und Palästina!«

■ Mahnwache vor der Jüdischen Gemeinde fordert Engagement Israels für einen Waffenstillstand und eine Nahost-Konferenz

Charlottenburg. Differenzierte Stellungsnahmen zum Golfkrieg sind im Wust der Flugblätter und Plakate schwer zu finden — und im Schlagwortstil wohl auch schwer zu schreiben. Vier Seiten umfaßte deshalb der Brief, den Mitglieder des Arbeitskreises für eine palästinensische Gesundheitsversorgung vor kurzem anläßlich einer Mahnwache vor der Jüdischen Gemeinde dem Vorsitzenden Heinz Galinski übergaben, und in dem sie ausführlich ihre Position darlegten. Die Mahnwache richtete sich gegen den Golfkrieg und gegen die Bombardierung Israels durch den Irak, der »mit deutscher Technik für den Angriff gerüstet« wurde.

Solidarität mit Israel, so die AutorInnen, sei nicht zu verwechseln mit Kritiklosigkeit. Sie forderten auf ihrer Kundgebung von Israel die Teilnahme an einer internationalen Friedenskonferenz und das »Ja« zu einem palästinensischen Staat als Beitrag zu einem sofortigen Waffenstillstand und einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten. Im Arbeitskreis (AK) für eine palästinensische Gesundheitsversorgung haben sich ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen sowie andere MitarbeiterInnen aus dem Gesundheitswesen zusammengeschlossen, die selbst in entsprechenden Einrichtungen in Israel und Palästina gearbeitet haben. Der Arbeitskreis unterstützt eine Gesundheitsstation der »Union of Health Care Committees« in einem Flüchtlingslager im Gaza-Streifen.

In ihrem Brief stellen die AutorInnen zweierlei Maß fest, wenn einerseits dem palästinensischen Volk das Selbstbestimmungsrecht verweigert werde, man aber andererseits das Selbstbestimmungsrecht Kuwaits mit Waffengewalt durchgesetzt wissen will. Ebenso wie die Besetzung Kuwaits, den »verbrecherischen Angriff des Irak und seine fortdauernden Drohungen mit dem Einsatz von Giftgas gegen Israel« verurteile man die völkerrechtswidrige andauernde Besetzung der 1967 von Israel eroberten Gebiete.

Die UnterzeichnerInnen, wie auch zahlreiche andere Gruppen, fordern einen sofortigen Waffenstillstand und die unverzügliche Einrichtung einer internationalen Friedenskonferenz. Dort müßten ohne Einschränkung alle Konflikte der Region — auch eine gerechtere Nutzung der Ölmilliarden — diskutiert werden. Lediglich zwei Grundsätze seien nicht verhandelbar: »Das Existenzrecht der Völker und die fundamentalen Menschenrechte.« Und die gelten nach Auffassung der ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen für die Bürger eines palästinensischen Staates ebenso wie für die Bürger des israelischen Staates; für die Menschen im Irak ebenso wie für die Menschen in Kuwait.

»Wir bitten die Jüdische Gemeinde«, heißt es weiter, »ihren Einfluß unter den jüdischen Menschen in Berlin, den jüdischen Organisationen in der Welt und gegenüber dem Staat Israel für eine dauerhafte Verständigung zwischen dem jüdischen und palästinensischen Volk geltend zu machen.«

Man teile die Angst und Sorge um Familienangehörige, Freunde und Bekannte in Israel, so die UnterzeichnerInnen, doch »wir kennen diese Angst und Sorge nicht erst seit dem 15. Januar: Jeder Anruf und jeder Besuch im besetzten Palästina, in Gaza, Nablus, Ramallah und in Ost- Jerusalem haben uns neue Nachrichten über Tod, Verletzungen und Verhaftungen von Freunden, Familienangehörigen, Bekannten gebracht.« Der Aufschrei »Hände weg von Israel« bleibe für die UnterzeichnerInnen deshalb untrennbar mit dem Aufschrei »Hände weg von Palästina« verbunden. In der Jüdischen Gemeinde, so wurde auf Anfrage der taz bestätigt, habe man das Schreiben entgegengenommen. Eine Stellungnahme zum Inhalt des Briefes gibt es bislang nicht.

Die Mahnwache soll in der nächsten Zeit vor den Vertretungen arabischer Länder in Berlin fortgesetzt werden. Dort will man für die Anerkennung des Staates Israel durch die arabischen Nationen und gegen den Mißbrauch des palästinensischen Volkes für die Machtpolitik einzelner arabischer Länder demonstrieren. »Wir protestieren gegen jede Art von Besetzungs-und Vertreibungspolitik«, heißt es in dem Brief an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, »und fordern das Selbstbestimmungsrecht für alle Völker der Region: Palästinenser wie Juden, die Menschen in Kurdistan ebenso wie im Libanon und im Irak selbst«. anb