Als die Golfkrieger jung waren

■ »Heavy Petting« im Moviemento und im Kant-Kino

Dafür kämpfen die Boys in der Wüste: 1. Für das Gute, 2. Für Amerika, 3. Für die Girls. Ronnie und Nancy, George und Barbara, der flotte Mr. Cheney, die fairen Jungs vom CNN — sie alle bleiben lebenslänglich Boys und Girls, von der Junior High School in Hinterpfuideibel, Texas, bis zum Sarg: Ehrlich, praktisch, forsch und allzeit moralisch. Damit wir Pazifisten, Feiglinge, Miesepeter und Perverse uns davon ein Bild machen können, was sie alle insgeheim zusammenschweißt, hat der Regisseur des vielgelobten Atomic Cafe, Obie Benz, wieder in den Filmarchiven gekramt: Heavy Petting heißt die Collage aus unendlich vielen Filmschnipseln über Amerikas keusches Liebesleben in den fünfziger und sechziger Jahren.

Damals wie heute: Der echte Ami ist immer ein echter Kämpfer in gerechter Sache: »Wir waren Eroberer in unbekannten Gefilden und kämpften uns durch Reifröcke und Büstenhalter, um anschließend bei den nackten Brüsten zu landen. Das Ganze dauerte drei Stunden, und das nach vier Tagen angestrengter Phantasie, welche Route man einschlagen sollte.« (Jugenderinnerungen eines interviewten New Yorkers aus Heavy Petting) »Hunderte Kilometer Archivmaterial« habe man gesichtet, heißt es im Pressetext, »sieben Jahre lang«, um jene Stimmungen und Gefühle wieder auf die Kinoleinwände zu bringen, die dank weltweiter Hollywood-Mission auch in der entlegensten Urwaldhütte schon altbekannt sind: Rock'n'Roll, Marilyn, James Dean, Coke, Fummeln in Daddies Cadillac, das Date nach dem College-Ball. Rituale, die zusammenschweißen. Zusammengerührt wurde der nostalgisch-verklärende Brei aus überwiegend unbekannten, zum Teil bizarr-komischen Movies, stocklustfeindlichen Aufklärungsfilmen und einem bißchen echtem Hollywood-Glamour. Damit das Ganze noch etwas mehr Botschaft bekam, befragte Benz schließlich noch zwei Dutzend mehr oder weniger prominente New Yorker von heute, von David Byrne über Laurie Anderson bis Allen Ginsberg, wie es bei ihnen war, »das erste Mal«, in jenem wunderbaren Amerika, das doch so prüde und keusch war.

Und es war einfach great: Die Girls trugen tolle Pettycoats, hielten ordentlich still, wenn man ihnen an ihren BH-Häkchen herumfingerte und paßten — instruiert von ihren Moms — gut auf, daß sie nicht schwanger wurden. Und die Boys durften Daddies Karre nehmen und gingen nach anfänglicher Rote-Ohren-Phase ordentlich ran. Aber nur bis zur Gürtellinie, darauf achteten dann notfalls die Girls. Und Little Richard, Fats Domino und Konsorten sorgten aus dem Autoradio für die Stimmung. Und wenn dann die Miederhäkchen wieder geschlossen waren, die Schmalztolle noch einmal nachgezogen war, brachte der Boy, nun ganz Sieger, die Beute zur elterlichen Haustüre — oder auf eine Cola in den Drugstore.

Der American Way of Life ist ein B-Movie. Und aus dessen Klischeesammlung bedient sich die Collage reichlich, auch wenn winzige Klassiker-Sequenzen mit Marylin, James Dean, Elvis und anderen Idolen werbewirksam dazwischen geschnitten wurden. Wer Erotik erwartet, wird von dem Streifen absolut enttäuscht, wie all jene, die sich angelockt vom dokumentarischen Anspruch eine kritische Auseinandersetzung mit der Prüderie, den Ritualen und dem Weltbild der weißen amerikanischen Mittelschicht erhoffen. Zwar wird immer wieder betont, wie furchtbar keusch und lustfeindlich jenes Amerika war (und ist?), Rückschlüsse auf heute, Zusammenhänge zwischen Sex, Rollenverteilung, Politik, Freiheit und Jugend finden nicht statt. Auch die befragten Prominenten sind sich alle einig: Streng war's, aber schön war's auch, eine abgeschlossene Epoche, mehr nicht. Nur Kultautor William S. Burroughs schweigt beharrlich und subversiv mürrisch vor sich hin ... Thomas Kuppinger

Heavy Petting, USA 1988, 80 Minuten, Regie: Obie Benz, Farbe und Schwarz-Weiß, OmU. Im Moviemento und im Kant.