Autoritäres Atomgesetz ante portas

Die Länderrechte sollen eingeschränkt werden  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Autoritär und privatwirtschaftlich sollen knapp fünf Jahre nach Tschernobyl die Probleme der Atomwirtschaft mit einer Atomgesetznovelle gelöst werden. Konkret plant die Bundesregierung, den notleidenden AKW-Bauern und -Betreibern mit einer Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für AKWs, einer Ausweitung des Bonner Weisungsrechts gegenüber unbotmäßigen Länderregierungen und der Privatisierung der Atommüllendlagerung unter die Arme zu greifen. Walter Hohlefelder, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium, begründete die Novelle explizit mit Versuchen, daß derzeit gültige Atomrecht für den Ausstieg zu nutzen.

Bei der Ausweitung des Weisungsrechts denkt die Regierungskoalition vor allem an das Bau-, Wasser- und Immissionsrecht. Damit würden den Landesregierungen „originäre landesrechtliche Kompentenzen aus der Hand genommen“, kritisierte Martin Führ, Atomrechtler im Darmstädter Öko- Institut.

Hohlefelder kündigte weiter an, daß die Bundesregierung den Begriff der Gefahrenvorsorge neu fassen will. Bislang mußte die Vorsorge nach dem jeweiligen Stand von Technik und Forschung erfolgen, eine Klausel, die vom Bundesverfassungsgericht in ihrem Whyl-Urteil sehr weit ausgelegt worden war. Die Richter hatten damals entschieden, daß bei der Genehmigung eines AKWs auch ein von einigen Wissenschaftlern geäußertes „Besorgnispotential“ verhindert werden müsse, erläuterte Führ. Offenbar wolle die Bundesregierung diese Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes aushebeln. Der detaillierte Ausschluß einzelner Gefahrenpotentiale und die Vorsorge gegen Risiken durch Rechtsverordnungen würden diese Verschlechterung im Atomrecht weiter absichern, ergänzte der Atomrechtler.

Auch die neugeplanten periodischen Sicherheitsüberprüfungen sind nach seiner Auffassung vor allem Nebelschwaden. Die Anforderungen des Genehmigungsbescheides verhinderten als Maßstab jeden „dynamischen Grundrechtsschutz“, da sich die Überprüfung immer nur auf den Status quo des Genehmigungsbescheides beziehe und neuerkannte Gefahren ausblende.

Die Privatisierung der Atommüll- Endlagerung begründete Hohlefelder in Bonn mit dem Verursacherprinzip. Der Staat könne seine Schutzpflichten auch durch Überwachung erfüllen. Welche Unternehmen 10.000 Jahre überdauern und so eine kontinuierliche Betreuung des Endlagers sichern könnten, ließ der Spitzenbeamte allerdings offen. Schon bei der Wiederaufarbeitung in Wackersdorf war die privatwirtschaftliche Variante gescheitert.